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Der schwierige Spagat beim Klimaschutz

Von Eric Heymann

Gastkommentare
Eric Heymann ist Volkswirt und Klimaexperte bei Deutsche Bank Research.
© Martin Joppen

Politik ist die Kunst des Kompromisses. Das Klimaschutzpaket der deutschen Regierung ist hierfür ein Paradebeispiel. Es ist der Versuch, durch nationale Maßnahmen einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, ohne die privaten Haushalte und Unternehmen zu stark zu belasten. Viele bemängeln das Klimaschutzpaket als zu wenig ambitioniert und in Teilen als kontraproduktiv - durchaus zu Recht. Zwar sieht es den Einstieg in eine einheitliche Bepreisung der CO2-Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor vor. Mit einem Festpreis von zunächst 10 Euro je Tonne CO2 (ab 2021), der bis 2025 auf 35 Euro je Tonne steigen soll, fallen die Preissignale jedoch gering aus.

Die Höhe des CO2-Preises allein ist aber nicht der entscheidende Kritikpunkt. Bedauerlicher ist, dass das Paket viele Maßnahmen enthält, die im Widerspruch zu einer einheitlichen CO2-Bepreisung stehen. Dazu zählen die Austauschprämie für alte Heizungsanlagen und Subventionen für die E-Mobilität. Solche technologiespezifischen Subventionen konterkarieren das Ziel der Kosteneffizienz.

Zu den Kennzeichen politischer Kompromisse zählt, dass höheren Belastungen an anderer Stelle Entlastungen gegenüberstehen. So wird der Preis für Benzin, Diesel und Heizöl steigen, dafür wird das Wohngeld erhöht. Zudem soll der Strompreis sinken. Ferner ist eine höhere Entfernungspauschale vorgesehen. Der Mehrwertsteuersatz auf Bahnreisen wird auf 7 Prozent reduziert, dagegen soll die Luftverkehrsabgabe steigen.

Trotz aller Kritik spiegeln die vorgelegten Eckpunkte vermutlich ziemlich gut die Einstellung der Bevölkerung zum Klimaschutz wider. Es ist nämlich mitnichten so, dass die Maximalforderung mancher Klimaaktivisten nach einer schnellen "großen Transformation" eine demokratische Mehrheit fände. Zwar sind 61 Prozent der Bürger laut aktuellen Umfragen über die Klimaveränderungen besorgt. Aber nur 33 Prozent sind bereit, höhere Energiepreise für den Klimaschutz zu zahlen. Und nur 21 Prozent sprechen sich für eine CO2-Steuer aus.

Diese Umfrageergebnisse passen gut zum tatsächlichen Verhalten der Bevölkerung: Der Individualverkehr wächst recht stetig, die durchschnittliche Wohnungsgröße pro Kopf nimmt zu, elektronische Konsumgüter werden immer beliebter. Und 79 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland basieren auf fossilen Energieträgern. Kurzum: Der Durchschnittsbürger ist (noch) nicht bereit, seinen Alltagskonsum massiv einzuschränken.

Die langfristigen deutschen Klimaziele sind - mit den heute verfügbaren Technologien - nur mit einer Abkehr von etablierten Konsumgewohnheiten und Produktionsprozessen zu erreichen. Höhere Energiekosten und Eingriffe in Wahlfreiheiten und Eigentumsrechte wären unausweichlich. Eine politische Verzichtsdebatte birgt jedoch enorme politische Sprengkraft. Ein Erstarken der politischen Ränder wäre zu erwarten, wenn die finanziellen Belastungen für die privaten Haushalte durch Klimaschutzpolitik zu stark stiegen. Die deutsche Regierung hat beim Klimaschutzpaket diese politische Sprengkraft offenbar ebenfalls berücksichtigt - in einer Demokratie nur zu verständlich.