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Wenn das Parlament das Geld abschafft

Von Lukas Sustala

Gastkommentare
Lukas Sustala ist Stellvertretender Direktor des Think Tanks Agenda Austria und Projektleiter im Fachbereich "Steuern, Budget und Finanzmärkte".
© Markus Rössle

Da haben sich viele noch gewundert, was alles möglich ist. Die letzten Parlamentssitzungen der relativ kurzen 26. Gesetzgebungsperiode im Nationalrat haben eine Flut an Beschlüssen mit sich gebracht und jede Menge zusätzlicher Ausgaben für die kommenden Jahrzehnte. Das von Übergangs-Finanzminister Eduard Müller eingeforderte Augenmaß war dabei offenbar eher störend. Kostenabschätzungen wurden nur bei den wenigsten Maßnahmen diskutiert. Innerhalb von drei Plenarsitzungen werden vor und nach dem Sommer noch einmal zumindest 4,5 Milliarden Euro bis 2023 verplant (ohne Berücksichtigung neuer Beschlüsse am 25. September 2019).

Damit ist klar: Die von der alten Koalition noch nach Brüssel gemeldeten Überschüsse in den kommenden Jahren wird es nicht geben. Sie hätten sich gerade einmal auf rund 3,2 Milliarden Euro bis 2023 summiert. Die Spielräume, die sich dank niedriger Zinsen und hoher Steuereinnahmen für Entlastungen oder mehr und zielgerichtete Mittel für Bildung, Breitband oder Infrastruktur ergeben hätten, sind weg. So manche Maßnahme mag durchaus berechtigt sein, etwa die Valorisierung des Pflegegeldes, aber es fehlen echte Reformen und Konzepte, die Wirkung und Kosten abwägen.

Bei den vielen Beschlüssen im österreichischen Parlament würde sich der Ökonom William Nordhaus jedenfalls ins Fäustchen lachen und sagen: "Hab’ ich’s doch gewusst." Der US-Volkswirt hat den Forschungszweig der Ökonomie, die sich mit dem "politischen Konjunkturzyklus" beschäftigt, wesentlich mitentwickelt (und für seine Beiträge rund um die Klimaökonomie 2018 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten). Die Kernthese ist simpel: Wähler sorgen sich um die Wirtschaftslage und ihre Kaufkraft, die Politiker vor allem um ihre Wiederwahl. Daraus ergeben sich über eine Legislaturperiode Effekte ähnlich einem Konjunkturzyklus. So wird vor einer Wahl noch einmal alles versucht, um mithilfe von Mehrausgaben oder versprochenen Steuersenkungen so viele Stimmen wie möglich zu umwerben. Nach der Wahl folgt dann aber die harte Realität.

In Österreich hieß es zuletzt vor allem: Noch einmal deutlich mehr Geld für Pflege und Pensionen. Außerordentliche Pensionsanpassung, Wiedereinführung der abschlagsfreien Pension mit 45 Beitragsjahren, die erste Pensionserhöhung schon früher. Aber auch die Aktion 20.000 wird wieder aufgenommen. Auf die Wirkung und ihre Folgekosten wurden die Maßnahmen meist gar nicht abgeklopft. Es ging im Parlament schnell schnell, oft per Abänderungsanträgen, also quasi in letzter Minute.

Es wäre im Sinne der Steuerzahler ein lohnenswertes Unterfangen, die kommende Legislaturperiode zu nutzen, um den politischen Gruppendruck zum Geldausgeben wenige Wochen oder Tage vor der Wahl effektiv abzustellen. Gesetze mit milliardenschweren Auswirkungen sollten jedenfalls einer Folgenabschätzung unterworfen werden. Eine strengere Ausgabenbremse könnte dafür sorgen, dass sich die Steuerzahlerkosten einer vorgezogenen Neuwahl nicht auf mehrere Milliarden summieren können - ohne zu wissen, wo das Geld später herkommt. Im aktuellen Fall ist die Sache sowieso klar: Die sozialpolitischen Segnungen vor der Wahl für die Wähler sind die höheren Steuern oder Schulden nach der Wahl. Das darf eigentlich niemanden wundern.

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