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Wahlen im Kosovo: Vom Umbruch in die Zukunft

Von Philipp Jauernik

Gastkommentare
Philipp Jauernik ist Experte für Außenpolitik- undSüdosteuropafragen. Der Historiker ist außerdem Bundesvorsitzender derPaneuropajugend Österreich und Chefredakteur des Magazins "Couleur".
© Lahousse

Eine Woche nach Österreich hat auch der jüngste Staat Europas, die Republik Kosovo, die Bürger zur Wahlurne gerufen. Es war die vierte Parlamentswahl seit der Unabhängigkeitserklärung 2008. Nach seiner Vorladung im Juni zur Anhörung durch das Sondergericht zur Verfolgung von Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges war Premier Ramush Haradinaj zurückgetreten. Für die junge Republik war das die Chance auf einen Neustart - und das Ergebnis lässt auch gar nichts anderes zu.

Mit der jungen Parlamentarierin Vjosa Osmani ging die traditionelle Partei der Mitte, die Demokratische Liga (LDK), ins Rennen um Platz eins - den aber letztlich knapp ihr direkter Konkurrent Albin Kurti mit seiner von ihm gegründeten nationalpopulistischen Bewegung Vetvendosje holte. Damit bringt das Wahlergebnis wohl einen politischen Umbruch, denn aufgrund der klaren Abgrenzung zu anderen Parteien dürften es nun Kurti und Osmani sein, die direkt in Koalitionsverhandlungen eintreten.

Für Kurti wäre es das Ziel einer langen Reise. Der 44-Jährige begann sein politisches Wirken Mitte der 1990er, als die damalige jugoslawische Zentralmacht universitäre Bildung für junge Albaner oft nahezu unmöglich machte. 1999 wurde er in Belgrad inhaftiert, 2000 auf internationalen Druck freigelassen. Seine Partei hat er "Selbstbestimmung" genannt - was auch international als Signal verstanden wird, denn er fordert den Abzug der Unmik-Mission radikaler, als das andere tun. Am politischen Grundkonsens des Kosovo, die Aufnahme des Landes in Nato und EU anzustreben, rüttelt er allerdings nicht.

Die 37-jährige Osmani gilt als Hoffnungsträgerin. Man traut ihr zu, den Kampf gegen die Korruption energisch weiterzuführen. Ihre Abgrenzungen zum politischen Gegner PDK (Demokratische Partei) macht glaubwürdig, dass es ihr nicht allein um Macht geht. Und als Absolventin der University of Pittsburgh verkörpert sie die Hoffnung der jungen Generation auf Weltoffenheit und Reisefreiheit, Bildung und Jobs ohne Parteisumpf.

Bemerkenswert waren die Sachlichkeit und das hohe Niveau im Wahlkampf. Wer harte Bandagen in Schlammschlachten erwartet, wurde im Österreich wesentlich spektakulärer bedient als im Kosovo. Persönliche Verwerfungen blieben aus - das ist auch gut so, denn auf die neue Regierung warten große Aufgaben. Erstens gilt es, den ruhenden Dialog mit Belgrad wieder aufzunehmen - eine höchst sensible und unglaublich komplexe Aufgabe, von der die Zukunft des Landes zentral abhängt. Zweitens muss die neue Regierung deutliche Schritte zur Rücknahme der Zolltarife auf serbische und bosnische Waren setzen. Die Zölle wurden als politische Reaktion auf die Blockade der Aufnahme des Kosovo in die Interpol gesetzt - doch die beiden Nachbarn zählen zu den wichtigsten ökonomischen Partnern des Landes.

Die dritte Aufgabe dürfte die heikelste werden: Kurti oder Osmani muss die internationalen Partner überzeugen, stärker für den Kosovo einzutreten. Das betrifft vor allem die EU: Hier blockieren einige Mitglieder wichtige Entwicklungsschritte für die junge Nation. Um dem Land Perspektiven zu geben, wird es deutliche Bewegungen brauchen.