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Frauenpolitik muss auch Männer einbeziehen

Von Margit Schratzenstaller

Gastkommentare
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Im kommenden Jahr wird das sogenannte Gender Mainstreaming im Bund, das auf die Berücksichtigung von Genderaspekten in allen politischen Entscheidungen abzielt, zwanzig Jahre alt. Seit 2009 ist Gender Budgeting, das Bund, Länder und Gemeinden zu einer geschlechtergerechten Haushaltsführung verpflichtet, in Österreich verfassungsrechtlich verankert.

Trotz dieser auch im internationalen Vergleich sehr starken rechtlichen und institutionellen Verankerung der Gleichstellung sind in zentralen Bereichen nur langsame Fortschritte zu verzeichnen.

Österreich liegt beim Gender Pay Gap mit knapp 20 Prozent an viertletzter Stelle in der EU. Die Teilzeitquote der Frauen ist auf 47,5 Prozent gestiegen und nur in den Niederlanden noch höher. Der - im EU-Vergleich unterdurchschnittliche - Frauenanteil von 26 Prozent in Führungspositionen bedeutet einen Platz im Mittelfeld.

Neben sozialen Normen und individuellen Einstellungen sowie einer Arbeitswelt, die der gleichmäßigen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen oft nicht förderlich ist, behindert auch das Fehlen einer konsequenten Gleichstellungspolitik die tatsächliche Gleichstellung in Österreich.

Dabei wird der Blick durch die Genderbrille angesichts der langfristigen Herausforderungen künftig noch wichtiger. Beispiel Pflege: Fast zwei Drittel der Pflegebedürftigen sind Frauen, und die häusliche Pflege von Angehörigen ist zum großen Teil Frauensache.

Beispiel Abgabensystem: Die unteren und mittleren Arbeitseinkommen sind besonders stark belastet - hier sind Frauen überdurchschnittlich vertreten.

Beispiel Klimaschutz: Maßnahmen zur Bepreisung von CO2-Emissionen treffen Frauen wegen ihres im Durchschnitt geringeren Einkommens überproportional. Ohne Berücksichtigung dieser Unterschiede in den anstehenden Reformen werden diese Herausforderungen die bestehenden Einkommensunterschiede sowie die ungleichmäßige Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit noch vertiefen.

Eine wirksame Gleichstellungspolitik fußt auf mehreren Voraussetzungen. Erstens: ein nationaler Gleichstellungsplan mit Gleichstellungszielen, versehen mit zeitlichen Vorgaben für deren Erreichung und Indikatoren zur Überprüfung der Umsetzung.

Zweitens: Ernstnehmen der geltenden rechtlichen Vorgaben - so sollten etwa genderrelevante Beschlüsse im Nationalrat ohne vorherige Genderprüfung, wie im September kurz vor der Wahl, nicht mehr möglich sein.

Drittens: Verbesserung der Datenlage - die letzte Zeitverwendungsstudie stammt aus 2009; der Verzicht auf die Teilnahme an der neuen Welle der europäischen Zeiterhebungen ist daher dringend zu überdenken.

Viertens: mehr Frauen in die politischen Entscheidungsgremien - der Anteil der Frauen im vergangenen Ministerkabinett betrug knapp 36 Prozent, im vergangenen Nationalrat 34 Prozent, und unter den Bürgermeistern nur gut 8 Prozent.

Fünftens: Gleichstellungspolitik ist nicht Frauenpolitik - um wirksam zu werden, muss sie auch die Männer einbeziehen; etwa in Form einer Vereinbarkeitspolitik, die auch Männer adressiert.

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