Zum Hauptinhalt springen

Wie der öffentliche Dienst die besten Arbeitskräfte gewinnt

Von Angelika Flatz und Klaus Wirth

Gastkommentare

Eine gut funktionierende Verwaltung ist eine wichtige Voraussetzung für Prosperität und hohe Lebensqualität. Im härter wendenden Wettbewerb um Arbeitskräfte muss der öffentliche Dienst aber attraktiver werden.


Die öffentliche Verwaltung in Österreich ist ein unerlässliches Element in der gewaltenteiligen Organisation des modernen Verfassungsstaates und eine verlässliche Größe für ein gut funktionierendes Staatswesen. International haben die österreichische Bundesverwaltung und auch die Verwaltungen der Städte und Gemeinden Österreichs einen hervorragenden Ruf. Viele Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben bezeugen dies.

Als Arbeitgeber stehen Bund und Gemeinden aktuell aber vor mehreren großen Herausforderungen: Der gesamtgesellschaftliche demografische Wandel mit einer immer älter werdenden Gesellschaft stellt nicht nur die gesundheitlichen und sozialen Sicherheitssysteme eines Staates vor Herausforderungen. Auch die öffentlichen Verwaltungen haben sich der Frage zu stellen, wie sie mit dem stetig steigenden Anteil älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den zunehmenden Anforderungen an Effizienz, Geschwindigkeit und Innovation sowie der digitalen Transformation gerecht werden können.

In den kommenden Jahren wird auch ein erheblicher Teil der Belegschaft in der öffentlichen Verwaltung in Pension gehen. Bei den Bundesbediensteten sind es 48 Prozent in den kommenden 13 Jahren. Einzelne Berufsgruppen sind dabei unterschiedlich betroffen. So liegt eine eher ausgeglichene Altersstruktur bei der Polizei, im militärischen Dienst und bei Richterinnen und Staatsanwälten vor.

Auch Österreichs Kommunen stehen vor einer ähnlichen, wenngleich nicht ganz so schwierigen Situation. Dennoch werden mancherorts bis zu 40 Prozent der Belegschaft in den kommenden Jahren ausscheiden.

Die erforderlichen Nachbesetzungen müssen vielfach über Neueinstellungen erfolgen, weil durch die Bemühungen der vergangenen Jahre um Budgetkonsolidierung die Personalreserven aufgebraucht sind. Auch können bisherige Ausbildungsprogramme die entstehenden Lücken nicht zureichend schließen. Gleichzeitig sehen sich die öffentlichen Arbeitgeber einer wachsenden Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt um qualifizierte Mitarbeiterrinnen und Mitarbeiter gegenüber. Die erforderlichen Arbeitskräfte zu gewinnen, ist bereits heute schwierig und könnte zumindest für einzelne Berufsgruppen noch schwieriger werden. Hier braucht es zunächst einen grundlegenden Wandel der Denkweise aller: Nicht die Jobsuchenden bewerben sich bei uns, sondern wir als Arbeitgeber bewerben uns um die Besten!

Der (gekürzte) Text ist in dem Buch "Nachhaltig wirken - Impulse für den öffentlichen Sektor" erschienen. Das Buch wurde vom KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung anlässlich seines 50-jährigen Bestehens herausgegeben. Es ist im NWV Verlag erschienen.

Eine weitere personalwirtschaftlich relevante Herausforderung für die öffentlichen Arbeitgeber stellt die Digitalisierung dar: Wenn die digitale Transformation eine Entwicklung wie die Industrielle Revolution ist, dann bedeutet das die Neugestaltung der Verwaltung aufgrund der sich verändernden technischen Möglichkeiten - und zwar in allen Bereichen, für alle Verwaltungsebenen. Durch die digitale Transformation wird es Gewinner und Verlierer in unseren Organisationen geben. Manche Jobs werden obsolet, andere neue werden entstehen. Es werden neue und andere Fähigkeiten bei den Beschäftigten benötigt.

Im Gegensatz zu den Kommunen (auch im Vergleich zu den unselbständig Beschäftigten in der Privatwirtschaft) hat der Bund einen sehr hohen Anteil an hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mehr als ein Drittel aller Beschäftigten weisen einen akademischen Abschluss auf. Die Rekrutierungschancen der Bundesverwaltung im Bereich der besonders hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hängen in Zukunft sehr stark von der Attraktivität als Arbeitgeber ab.

Das bedeutet aus Sicht der öffentlichen Arbeitgeber, sich noch stärker im Personalmanagement zu engagieren, um sich in einem stärker werdenden Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu behaupten sowie leistungsfähigen und leistungsbereiten Menschen einen attraktiven Arbeitsplatz anbieten zu können. Ziel ist es, jenes Personal zur Verfügung zu haben, das auch zukünftig einen leistungsfähigen öffentlichen Sektor garantiert.

Klare Anforderungsprofile und Markenbewusstsein

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von morgen müssen neben einer ausgeprägten Veränderungs- und Lernbereitschaft ("Change is the normal") auch umfassende digitale Kompetenzen mitbringen. Wobei derzeit noch nicht abschließend ausdiskutiert ist, was diese digitalen Kompetenzen konkret sind. Da wir im Zuge der weiteren Digitalisierung mit vielen und schnellen Veränderungen werden rechnen müssen, wird das Augenmerk bei der Personalauswahl mehr auf Entwicklungspotenziale als auf zurückliegende Qualifikationen gerichtet werden müssen. Also konkret auf die Fähigkeit, sich schnell anzupassen, schnell Neues zu lernen und in wechselnden Kontexten anwenden zu können.

Klaus Wirth ist seit 1999 Berater beim KDZ und arbeitet in den Bereichen Organisationsentwicklung, speziell in den Bereichen Führung und Personalmanagement.
© Michael Reidinger

Zum Ausblick auf zukünftige Bedarfe gehört an dieser Stelle aber auch, ein konsequentes Nachfolgemanagement zu praktizieren, um den Übergang erfolgreich zu managen: Konkret heißt das, die Bedarfe zu erkennen und zu benennen, Schlüsselkräfte (also für die Organisation erfolgskritische Personen) zu identifizieren und insbesondere deren Wissen für die Organisation zu sichern und letztlich Leistungs- und Qualitätskontinuität zu gewährleisten. Einige größere Städte wie etwa Salzburg oder Villach widmen sich bereits intensiv dem Thema Nachfolgemanagement.

Selbstbewusst zeigen, wer wir sind und was wir zu bieten

Alljährlich werden in Österreich die "besten Arbeitgeber" prämiert. In solchen Wettbewerben sind öffentliche Arbeitgeber bisher meist nicht repräsentiert, vielen potenziellen Arbeitnehmerinnen gilt die öffentliche Verwaltung möglicherweise als nicht besonders attraktiv. Viele haben kein klares Bild davon, welche Vielfalt an Berufen, Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten es im öffentlichen Sektor gibt. In einem härter werdenden Wettbewerb gilt es daher umzudenken und selbstbewusst zu zeigen, was der öffentliche Dienst ist und warum es sehr attraktiv sein kann, für diesen Arbeitgeber zu arbeiten.

Angelika Flatz ist Sektionschefin im BMöDS für den öffentlichen Dienst und Verwaltungsinnovation. Zu ihren Arbeitsthemen zählt auch Personalmanagement.
© Richard Tanzer

Der öffentliche Sektor bietet "sinnvolle Jobs". Gerade jungen Menschen ist es nicht mehr egal, wofür ein Arbeitgeber steht und welche Produkte und Leistungen er erzeugt und erbringt. Und hier können die öffentlichen Arbeitgeber punkten. Bei Kommunen wird etwa geworben: "Arbeite für das, was du liebst" oder: "Gestalte mit uns die Zukunft deiner Stadt". Der Bundesdienst bietet Aufgabenbereiche mit internationalem Bezug, etwa der Möglichkeit einer Entsendung zu Institutionen der EU.

Ein zweites Argument ist, dass in kaum einem anderen Wirtschaftszweig der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben so viel Bedeutung zugemessen wird und die Arbeitgeber bemüht sind, auf die unterschiedlichen Lebensphasen ihrer Beschäftigten zugeschnittene Beschäftigungsmodelle anzubieten. Es gibt viele Formen von Teilzeit und Zeitausgleich, und es entwickeln sich immer mehr Angebote, wie etwa Homeoffice, Sabbaticals und das Teilzeitrecht bei Kindern.

Ein komparativer Nachteil sind nach wie vor die Gehaltsmöglichkeiten. Innerhalb der sehr transparenten, aber gleichfalls wenig flexiblen Gehaltssysteme verfolgen wir das Ziel, eine faire und sichere Bezahlung auf einem krisensicheren Arbeitsplatz als Basis eines gesicherten Fortkommens zu ermöglichen. Die öffentlichen Arbeitgeber haben darüber hinaus einen niedrigeren Gender Pay Gap als die Privatwirtschaft. Die Bundesverwaltung legt großen Wert auf die Förderung von Frauen.

Die öffentliche Verwaltung arbeitet innerhalb ganz spezifischer Rahmenbedingungen: strenger Gesetzesvorbehalt im Tun, wechselnde politische Vorgaben und teilweise komplexe politische Entscheidungsprozesse. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Arbeitsweisen vielen als etwas umständlich oder antiquiert. Sie sichern aber gleichwohl Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit aller und sind damit wiederum ein hohes Gut.

Die Vielfalt an Berufen und die Attraktivität des Arbeitens im öffentlichen Dienst muss für die Gesellschaft sichtbarer werden. Dabei können auch die vielen Incentives kommuniziert werden. Aber Achtung: Glaubwürdig ist man auf Dauer nur, wenn das, was man nach außen kommuniziert, von den zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Arbeitsalltag dann auch so erlebt wird.

Mit einem professionellen Recruiting überzeugen

Wenn man als Arbeitgeber potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten positiv überraschen will, dann gelingt das am besten schon am Anfang beim Recruiting: Lange und intransparente Entscheidungswege, komplizierte Verfahren und unpersönliche Abläufe sind jedenfalls eine Garantie dafür, die Besten früh zu verlieren.

In diesem Bewusstsein haben die öffentlichen Arbeitgeber Bund und Gemeinden bereits die Zeichen der Zeit erkannt und vielfältige Maßnahmen in Angriff genommen: Um schneller und einfacher zu werden, nutzen der Bund und die Gemeinden immer mehr elektronische Jobplattformen und elektronische Bewerber-Managementsysteme, der Bund betreibt sogar eine eigene Plattform.

Technik allein reicht aber nicht. Auch die internen Abläufe der Entscheidungsfindung müssen reflektiert und verbessert werden. Liebgewonnene Traditionen und alte Maßstäbe müssen zugunsten von Schlankheit der Prozesse und Schnelligkeit und unter Beibehaltung der Objektivität im Entscheiden überwunden werden. Interne Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse sind nicht nur zu digitalisieren, sondern auch deutlich zu beschleunigen.

Nur wenige Sekunden entscheiden zudem darüber, ob eine Stelle wahrgenommen und für interessant befunden wird. Wer entdeckt werden will, muss seine Werbekampagnen und seine Stellenanzeigen so gestalten, dass sie Aufmerksamkeit generieren. Pfiffige Kampagnen von öffentlichen Arbeitgebern gibt es, etwa in Zürich und Berlin, sie sind aber noch selten. Ein Teil eines professionellen Recruitings ist es auch, die neuen Mitarbeiter "willkommen zu heißen". Art und Ausmaß des praktizierten "Onboardings" sind noch sehr unterschiedlich und laden geradezu dazu ein, sich in Zukunft auf gemeinsame Standards und eine einheitliche Methodik zu verständigen.

Vermehrt in unsere Mitarbeiter investieren!

Wenn es am Arbeitsmarkt immer schwieriger wird, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die anspruchsvollen Jobs zu gewinnen, dann kann eine Rückbesinnung auf den "Entwicklungsgedanken" im Personalmanagement zumindest ein Ansatz sein, um die erforderlichen Personalressourcen in Zukunft zur Verfügung zu haben. Bei den Gemeinden beobachtet das "Zentrum für Verwaltungsforschung" in letzter Zeit wieder ein stärkeres Engagement für die Ausbildung von Lehrlingen, einzelne große Städte planen sogar, Trainee-Programme einzuführen. Im Bundesdienst wird von den Ministerien für die neuen Mitarbeiterinnen eine mehrjährige Grundausbildung mit Seminaren, Rotationen und schriftlichen Projektarbeiten angeboten. Die Größe der Bundesverwaltung ermöglicht spannende Wechsel innerhalb des Bundesdienstes in unterschiedlichste Berufsbereiche und bietet damit interne Karrieremöglichkeiten.

Zu den besonderen Incentives öffentlicher Arbeitgeber zählen die vielfältigen kostenlosen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten während der Arbeitszeit. Ein Entwicklungshemmnis bei den Gemeinden könnten in Zukunft die vergleichsweise (viel zu) kleinen Weiterbildungsbudgets sein.

Zusammenarbeit verstärken und Synergien nutzen

Die öffentlichen Arbeitgeber sitzen im gleichen Boot. Da liegt es nahe, die Kräfte zu bündeln und sich gemeinsam den Herausforderungen zu stellen und neue Partnerschaften zu begründen. Trotz aller Unterschiede bieten sich mehrere Ansatzpunkte für eine verstärkte Kooperation an. Zum Beispiel gemeinsam für den öffentlichen Dienst werben und als attraktive Arbeitgeber sichtbar werden. Oder eine gemeinsame Jobbörse schaffen sowie im Zuge einer Modernisierung der bestehenden Plattform des Bundes prüfen, ob und wie die Gemeinden diese Plattform nutzen könnten; Kooperationen in der Lehrlingsausbildung suchen und Austauschprogramme in den jeweils anderen Sektoren entwickeln. Auch gemeinsame Standardtools des Personalmanagements könnten entwickelt werden, etwa Leitfäden zum Onboarding oder zur Personalauswahl. Es braucht auch neue Möglichkeiten für den ebenenübergreifenden Erfahrungsaustausch, wie eine jährliche Personalkonferenz des öffentlichen Dienstes, gemeinsame Innovationslabs und vermehrte Jobrotationen über die Gebietskörperschaftsgrenzen hinweg.

Wir sind zum Erfolg verpflichtet. Ein gut funktionierender öffentlicher Sektor ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Österreich und für die weiterhin hohe Lebensqualität im Land. Die beschriebenen Herausforderungen müssen angenommen werden. Das geht nur, wenn bei allen Verantwortlichen und Beteiligten die Bereitschaft zu Veränderung beim Personalmanagement gestärkt wird und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nicht nur als "Kosten" gesehen werden, sondern als das, was sie sind: Der öffentliche Dienst erbringt Dienstleistungen für und an Menschen. Und das geht in erster Linie durch Menschen. Deren Potenziale, Fähigkeiten, Qualifikationen und Haltungen entscheiden über den Erfolg der Verwaltungen.