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Österreichs und Israels Verhältnis ist herzlich wie nie zuvor

Von Martin Weiss

Gastkommentare
Martin Weiss wurde 1962 geboren. Der Jurist begann seine Laufbahn 1990 im österreichischen Außenministerium und war unter anderem Generalkonsul in Los Angeles, Botschafter in Zypern und Israel. Seit 2019 ist er Österreichs Botschafter in den USA. 
© BMEIA/Mahmoud-Ashraf

Österreichs Botschafter in Israel zieht zum Abschied Bilanz: Nach mehreren Eiszeiten in den vergangenen Jahrzehnten gilt Österreich heute als "einer der engsten Freunde Israels".


Am 1. November endet - nach vier abwechslungsreichen Jahren - meine Zeit in Israel. Ab dann werde ich die Interessen Österreichs in den USA vertreten. Eine mehr als spannende Aufgabe. Ein Abschied ist aber ein guter Moment für einen Blick zurück: Wie steht es heute um die Beziehungen zwischen Österreich und Israel? Diese sind, kurz gesagt, besser als je zuvor. Das gilt für die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Kultur etc. Und das ist - vor dem Hintergrund des Auf und Ab unserer Beziehungen seit 1956 - bemerkenswert. Denn es waren, um ehrlich zu sein, lange Zeit mehr Abs als Aufs.

Diplomatie ab 1956

Österreich und Israel nahmen im Jahr 1956 volle diplomatische Beziehungen auf. Das war sehr früh, hatte doch Österreich erst ein Jahr zuvor seine volle staatliche Souveränität wiedererlangt. Das im Jahr 1948 gegründete Israel hatte damals großes Interesse daran, rasch mit vielen Staaten der Welt diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Österreich wiederum wollte zurück auf die Weltbühne, um zu zeigen, dass es seine eigenen Geschicke lenken konnte. Es war die Zeit des Kalten Krieges. Fragen danach, ob Österreich Verantwortung auch für die dunkelsten Stunden der eigenen Geschichte übernehmen würde, standen damals nicht im Vordergrund.

Auf die Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaus folgte im Jahr 1970 die Kanzlerschaft von Bruno Kreisky. Wie immer man zum "Sonnenkanzler" stehen mag - für das außenpolitische Verhältnis zwischen Österreich und Israel waren es schwierige Jahre. Kreisky war Jassir Arafats "Eisbrecher" in der Welt, als erstes westliches Land erkannte Österreich die PLO als offizielle Vertretung der Palästinenser an. Das Verhältnis zwischen Österreich und Israel blieb hingegen während seiner Kanzlerschaft mehr als unterkühlt.

Die Schönau-Affäre 1973

Wie unterkühlt, das zeigt etwa die Geschichte um das Transitlager Schönau. Ausreisewillige sowjetische Juden konnten während des Kalten Krieges nicht direkt nach Israel reisen, der Weg musste vielmehr über ein Transitlager führen. Um den Transit über Österreich zu stoppen, nahmen palästinensische Terroristen 1973 am Grenzbahnhof Marchegg vier Geiseln und forderten die Schließung Schönaus. Bundeskanzler Kreisky beschloss, dieser Forderung nachzukommen und "die Unterbringung im Lager Schönau einzustellen". Auch eine kurzfristig angesetzte Wien-Reise der israelischen Premierministerin Golda Meir konnte an dieser Entscheidung Kreiskys nichts mehr ändern.

Als Meir am Flughafen Ben Gurion landete und gefragt wurde, wie denn die Gespräche mit Kreisky verlaufen seien, antwortete sie mit dem berühmten Satz: "Nicht einmal ein Glas Wasser hat er mir gereicht." Ob das mit dem nicht angebotenen Glas Wasser nun genau so stimmt oder nicht, als Sinnbild für das österreichisch-israelische Verhältnis dieser Jahre dient dieser Satz allemal. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Österreich in Wöllersdorf sehr bald Ersatz für das Transitlager Schönau schuf und bis 1986 mehr als 270.000 Juden aus der Sowjetunion über Österreich ihren Weg in die Freiheit fanden.

Kurt Waldheims Wahl 1986

Ähnliches wie für Kreiskys Kanzlerschaft gilt für Kurt Waldheims Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten 1986: Unabhängig davon, wie man zu dieser Wahl stehen mag, das Verhältnis zwischen Österreich und Israel wurde dadurch nicht besser. Vielmehr wurde der israelische Botschafter damals zu Konsultationen nach Jerusalem einberufen - diese Konsultationen dauerten sechs Jahre lang . . .

Eine Entspannung des bilateralen Verhältnisses trat erst mit dem Ende von Waldheims Amtszeit ein, Israel entsandte wieder einen Botschafter nach Österreich. Die Rede von Bundeskanzler Franz Vranitzky vor der Hebräischen Universität in Jerusalem im Jahr 1993, mit dem historischen Bekenntnis zur österreichischen Mitverantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus, war ein wesentlicher Schritt zur dauerhaften Verbesserung der Beziehungen. Schon ein Jahr später besuchte Thomas Klestil als erster österreichischer Bundespräsident Israel.

Doch noch einmal sollte sich das Verhältnis zwischen Österreich und Israel eintrüben: Aus Protest gegen den Regierungseintritt der FPÖ zog Israel im Jahr 2000 seinen Botschafter "auf unbestimmte Zeit" aus Wien ab. Und erst Jahre später, im Dezember 2003, kehrte der israelische Botschafter nach Österreich zurück.

Eine neue Normalität ab 2003

Seither ist im Verhältnis zwischen Österreich und Israel Normalität eingekehrt: Israelische Präsidenten besuchten Österreich (so zum Beispiel Präsident Mosche Katzav und Präsident Shimon Peres), österreichische Präsidenten und Bundeskanzler besuchen Israel (zuletzt Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Februar 2019). Aber mehr als das: Österreich hat in den vergangenen Jahren begonnen, das nachzuholen, was im Verhältnis zwischen Israel und Österreich so viele Jahre lang nicht geschah. Fast die gesamte österreichische Bundesregierung besuchte im Jahr 2016 anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen Israel.

Österreichische Firmen entdecken zunehmend neue Möglichkeiten, die Israel als Start-up-Nation bietet, und österreichische Unternehmen beteiligen sich am Ausbau von Israels Infrastruktur (etwa die Strabag mit der Errichtung des längsten Druckwassertunnels der Welt, über den bald entsalztes Wasser von Israels Küste ins Landesinnere befördert werden wird). Mehr als vierzig Direktflüge pro Woche verbinden heute Israel und Österreich, und die Tourismus- und Handelsbilanzzahlen kennen nur eine Richtung: steil nach oben (im ersten Quartal 2019 wuchsen die Exporte nach Israel um 13,99 Prozent, die Zahl der Nächtigungen stieg von 2018 auf 2019 gar um 23,9 Prozent).

Mehr Nähe als je zuvor

Zwischen Österreich und Israel besteht heute mehr Nähe, Verständnis und Vertrauen als je zuvor in unserer gemeinsamen Geschichte. Österreich hat klare Worte zur eigenen Mitverantwortung für die Gräuel der Nazi-Zeit und den Holocaust gefunden und versteckt sich nicht mehr hinter einer historisch unhaltbaren Opfer-Theorie. In einem Kommentar der angesehenen "Jerusalem Post" zur jüngsten Nationalratswahl in Österreich hieß es zuletzt: "Das Ergebnis dieser Wahl wurde sowohl im Büro des israelischen Premierministers als auch im israelischen Außenministerium mit einem breiten Lächeln quittiert. Israel bleibt mit Sebastian Kurz ein guter Freund erhalten - unter ihm ist Österreich einer der engsten Freunde Israels in Europa geworden." Eine ähnliche Formulierung wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Heute beschreibt sie schlicht und einfach die Realität.

Zum Abschluss noch zwei Beispiele abseits von Politik, Wirtschaft und Diplomatie: Dass heute mit Andreas Herzog ein Österreicher der beliebte Trainer des israelischen Fußball-Nationalteams ist, hat sicher nichts mit Politik, sondern mit der Qualität des neuen Trainers zu tun. Ein schönes und passendes Symbol für die Freundschaft zwischen Israel und Österreich ist es aber doch. Und für die unverbesserlichen Zweifler noch ein letztes Argument: Wer gab Israel, als es im Jahr 2018 den Eurovision Song Contest gewann, zwölf Jury-Punkte? Richtig, Österreich. Und von wem erhielt der Österreicher César Sampson damals zwölf Jury-Punkte? Richtig, von Israel.

Ein US-Anwalt würde jetzt sagen: "I rest my case."