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Der Brexit-Spuk geht weiter

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Der Brexit geht in seine dritte Verlängerung. Der Europäische Rat hat einer flexiblen Verlängerung der Austrittsfrist für Großbritannien bis 31. Jänner 2020 zugestimmt. Das britische Parlament erhält bis zu drei Monate mehr Zeit, um den Brexit-Vertrag zu ratifizieren. Diese Woche hat es vorgezogene Wahlen am 12. Dezember beschlossen. Wie kann es nun weitergehen, und werden die Briten bis 31. Jänner die EU wirklich verlassen?

Variante 1: Boris Johnson und die Tories gewinnen die Wahl. Erhält Johnson eine Parlamentsmehrheit, wird der Austrittsvertrag fristgerecht ratifiziert werden.
Die EU hat einer Alternative zum Backstop zugestimmt und macht es auch den überzeugtesten Brexiteers bei den Tories schwer, dem neuen Vertrag nicht zuzustimmen. Aber auch Johnson braucht den Deal. Er muss ein wesentliches politisches Versprechen seiner "Leave"-Kampagne halten. Geht es nach seinen Vorstellungen, wird das Vereinigte Königreich eine unabhängige Handelspolitik betreiben. Primäres Ziel ist der Abschluss eines Handelsabkommens mit den USA. 2018 waren diese mit einem Anteil von 18,7 Prozent an den gesamten Waren- und Dienstleistungsexporten wichtigste Exportdestination des Vereinigten Königreichs. Nancy Pelosi hat als Sprecherin des US-Repräsentantenhauses jedoch klargestellt, dass ein Abschluss eines Handelsabkommens nur dann denkbar ist, wenn die britische Politik die Bestimmungen des "Good Friday Agreements" weiter wahrt. Ein ungeregelter Austritt widerspricht durch die Schaffung einer "harten" innerirische Grenze diesen Vereinbarungen. Durch einen "No-Deal"-Brexit wäre die Chance auf einen Handelsvertrag mit den USA verspielt und Johnsons unabhängige Handelspolitik zum Scheitern verurteilt.

Variante 2: Labour gewinnt die Neuwahlen. Auf dem heurigen Parteitag hat Jeremy Corbyn angekündigt, im Falle eines Wahlsieges einen neuen Austrittsvertrag zu verhandeln. Handelspolitisch schlägt Corbyn durch die Schaffung einer Zollunion eine handelspolitisch enge Verflechtung mit der EU vor. Die Notwendigkeit von Warenkontrollen auf der Irischen See würde nach diesem Vorschlag wegfallen. Der Vorschlag von Labour sieht auch vor, dass der eigens verhandelte Austrittsvertrag in einem Referendum gegen die Alternative des Verbleibs in der EU zur Abstimmung gebracht wird. Die Verhandlungen und das Referendum würden, laut Plan, sechs Monate nach der Wahl abgeschlossen sein und somit eine weitere Verschiebung des Austrittsdatums über den 31.1.2020 hinaus notwendig machen.

Variante 3: Die Neuwahlen ergeben keinen eindeutigen Sieger. Die proeuropäischen Parteien, wie etwa die Liberalen und die schottische SNP, könnten dazugewinnen, die Brexit Party könnte neu in das Parlament einziehen. Dies würde zu einer weiteren Fragmentierung des Parlaments führen und die Mehrheitsbildung sehr kompliziert machen. Dann könnte auch ein "No-Deal"-Brexit wieder aktuell werden. Die britischen WählerInnen sind jetzt am Wort. Der Brexit-Spuk wird uns so oder so wohl noch weiter begleiten.