Zum Hauptinhalt springen

Leistbares Wohnen für alle möglich machen

Von Christoph Stoik

Gastkommentare

Die Schaffung von Wohnraum in wachsenden Städten ist eine politische, soziale und ökologische Frage.


"Enteignung" wird - angesichts des Wohnungsproblems in Berlin - gefordert. In wachsenden Städten wie Wien, München, Zürich, London, Stockholm - die Liste ist beinahe unendlich fortzusetzen - sind verfügbares Bauland und leistbarer Wohnungsbau stark umkämpfte Felder. Dabei geht es nicht nur um die Verknappung von Baugrund, sondern auch um ein profitables Geschäft. Wohnen ist zu einer Ware geworden, die zum Teil zweckentfremdet wird, zum Beispiel für gewerbliche Airbnb-Wohnungen oder Anlegerwohnungen. Privatisierungen von Sozialwohnungen verschärfen die Situation zusätzlich. Kommunen verlieren damit ein wichtiges Instrument gegen rapid steigende Wohnkosten. Inzwischen sind aber auch Gegenbewegungen zu verzeichnen: Berlin kauft vor kurzem veräußerten Wohnungen im Eigentum der Stadt wieder zurück, in Freiburg hat die Stadt nach massiven Protesten den drohenden Verkauf kommunaler Wohnungen gestoppt. Die Privatisierung städtischer Wohnungen ist keine Lösung.

Trotz des sozialen Wohnbaus steigen in Wien die Mieten

Für die Lösung der Wohnungsfrage gilt Wien international als Vorbild. Tatsächlich sind mit 220.000 Wohnungen ein Viertel des Gesamtbestandes im öffentlichen Eigentum. Zudem setzt die Stadt Wien nach wie vor auf geförderten Wohnbau und hat sich zum Ziel gesetzt, dass zumindest zwei Drittel aller neu zu errichtenden Wohnungen gefördert werden - allerdings ist umstritten, ob diese Quote je erreicht wird. Für einkommensschwächere Menschen ist es in Wien schwierig, günstige Wohnungen zu finden. Trotz des sozialen Wohnbaus steigen die Mieten - ganz besonders im gründerzeitlichen Altbau, wie in Ottakring oder Favoriten. Der geförderte Wohnbau hingegen schafft Wohnungen vor allem für eine Mittelschicht und halbwegs gut verdienende Haushalte. Wenn nicht gezielt günstiger Wohnraum geschaffen wird, wird die Wohnungslosigkeit steigen. Im Gegensatz zum weit verbreiteten Bild, dass Wohnungslosigkeit nur ein Problem weniger "Obdachloser" sei, besteht ein enger Zusammenhang zwischen niedrigen Einkommen, Armutsgefährdung und dem Verlust von Wohnungen. Und das trifft viele Menschen - "armuts- beziehungsweise ausgrenzungsgefährdet" sind laut Armutskonferenz 1,5 Millionen Österreicher. Wohnungslosigkeit ist auch ein Problem arbeitender Menschen - und sie kommt inzwischen in der Mittelschicht an.

Es stellt sich also die Frage, wie eine Stadt, die wächst, Wohnraum für alle schaffen kann. Die globale Stadt befindet sich da in einem Dilemma: Einerseits will sie wachsen und für Investoren und Kapital attraktiv sein. Andererseits ist sie angewiesen auf den Zuzug und billige Arbeitskräfte. Die internationale Bewegung "Solidarische Stadt", unter anderem in US-Städten wie New York aktiv, fordert unter dem Titel "urban citizenship" gesellschaftliche Teilhabe für alle, die in einer Stadt leben - da ist der Zugang zum Wohnen zentral. Das Argument, dass dies andere Menschen aus armen Regionen anziehe, kann empirisch nicht nachgewiesen werden. Nachweisbar ist, dass wachsende Städte ohnehin einen Anziehungseffekt haben - und diesen ja auch wollen, um billige Arbeitskräfte zu gewinnen.

Tatsächlich wird in Wien viel gebaut. Nachverdichtet wird in der ganzen Stadt - am Stadtrand ebenso wie auf innerstädtischen Industriebrachen und Bahnhöfen. Diese urbanen Transformationen bedeuten Veränderungen für die ansässigen Bewohner. Grünraum wird weniger, der Nutzungsdruck im öffentlichen Raum wird größer, und es ziehen neue Menschen in die Gegend. Genauer betrachtet gibt es aber Unterschiede, ob diese Nachverdichtungen innerstädtisch geschehen oder am Stadtrand. In sogenannten suburbanen Lagen bedeutet Nachverdichtung auch Verstädterung - mit allen Vor- und Nachteilen. Die Infrastruktur wird besser, die Nutzungsansprüche und Vielfalt wird mehr. Der Umgang mit diesen Veränderungen ist für die ansässige Bevölkerung, die Stadt und die Bauträger eine Herausforderung. Die soziale Begleitung von Nachverdichtungen kann dabei helfen, die unterschiedlichen Interessen transparent und diskutierbar zu machen - auch wenn kaum ein Weg an diesen Transformationen vorbeiführen kann.

Bei Nachverdichtung genug Frei- und öffentlichen Raum sichern

Eine weitere Frage, die sich bei Nachverdichtungen stellt, ist, wie genug Frei- und öffentlicher Raum gesichert werden kann. Auseinandersetzungen um die "Tempelhofer Freiheit" in Berlin, oder die "Freie Mitte" auf dem Nordbahnhofgelände in Wien zeigen, dass sich Verwertungsinteressen und Interessen des freien Zugangs zu öffentlichen Räumen in einem Spannungsverhältnis befinden. Nicht nur Menschen brauchen die öffentlichen Räume in dicht bebauten Gebieten. Angesichts der Überhitzung der Stadt nehmen Freiräume auch eine immer wichtige Bedeutung für ein verträgliches Stadtklima ein.

Bei all diesen Bautätigkeiten muss die Nachhaltigkeit in den Blick genommen werden. Die Verdichtung und Versiegelung ist dabei zu betrachten, und auch ganz grundsätzlich, wie möglichst klimaneutral gebaut werden kann. Aber die Errichtung von Passivhäusern, die Verwendung nachhaltiger Baumaterialien und die Anwendung nachhaltiger Technologien zur Energiegewinnung brauchen nicht nur einen Willen - das kostet auch Geld und Zeit. Das Interesse, schnell Wohnraum zu schaffen, steht da in einem Spannungsverhältnis zu innovativen und aufwendigeren qualitätsvollen sowie ökologischen Bauvorhaben. Beton beispielsweise ist ein Baustoff, der alles andere als nachhaltig ist. Die weltweite Verknappung dieses Baustoffs wird ebenso ein Problem wie die geringe Nachhaltigkeit von Beton.

Auf der "INUAS"-Konferenz in Wien diskutieren von 4. bis zum 6. November Wissenschafter aus unterschiedlichen Disziplinen, wie hohe soziale und ökologische Standards in Stadtentwicklung und Wohnbau unter schwierigen Bedingungen der Finanzierung umgesetzt werden können. Dabei wird die Wohnungsfrage international betrachtet, mit Beiträgen aus Kairo, St. Petersburg, Tel Aviv, Rabat, Barcelona, Hamburg oder Shanghai. Was können die Städte voneinander lernen? Den angewandten Hochschulen ist aber auch die Praxistauglichkeit der Lösungen wichtig. Deshalb wurden auch Architekten, Techniker und Sozialarbeiter sowie Experten aus der Stadtentwicklung und dem Wohnungsbau eingeladen, ihr Wissen in die Konferenz einzubringen. Die transdisziplinäre Verknüpfung von Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen, der Praxis und öffentlichen politischen Diskussionen kann so einen Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage leisten.

Das Hochschulnetzwerk "INUAS"
mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und der Fachhochschule Campus Wien organisiert im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu urbanen Transformationen von 4. bis 6. November 2019 eine Konferenz mit dem Titel "Wohnen unter Druck".

www.inuas.org/konferenz-2019

www.fh-campuswien.ac.at