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Kein EU-Kommissar für Afrika

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.
© privat

Wer kann sich nicht erinnern an die Forderung all der Prominenten aus Politik und Wirtschaft, unterstützt von diversen Kirchenvertretern: Die nächste EU-Kommission braucht unbedingt einen eigenen Afrika-Kommissar. Stattdessen wurde bereits beim EU-Job-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli vereinbart, dass alle Agenden betreffend Afrika beim neuen Außenbeauftragter Joseph Borrell gebündelt werden. Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe und offensichtlich sogar auch Migrationsfragen - soweit sie Afrika betreffen - liegen dann alle in einer Hand: bei Federica Mogherinis Nachfolger. Der als Hardliner bezeichnete Spanier wird dann mit dem ihm unterstellen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) allein darüber entscheiden, wie die Afrika-Politik künftig aussieht.

Kenner der Materie freut dies keineswegs, es weckt eher ungute Erinnerungen. War es doch ausgerechnet der damals gerade neu geschaffene EAD, der 2011 in Eigenverantwortung eine EU-Sahel-Strategie vorlegte. Darin wurde unverhohlen eine Versicherheitlichung der europäischen Entwicklungspolitik propagiert. Alles und jedes sei dem Sicherheitsprimat unterzuordnen. Dies betraf natürlich und insbesondere auch all die finanziellen Mittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zur Verfügung stehen.

Seit Anbeginn betreibt der EAD das Konzept der nachträglichen Umwidmung von EZA-Budgetmitteln zur Finanzierung diverser sicherheits- und verteidigungspolitischer Projekte in Afrika. Nach dem bewährten Konzept "Steter Tropfen höhlt den Stein" werden auf diese Weise scheibchenweise Dinge finanziert, die der europäische Durchschnittsbürger mit allem Möglichen, sicher aber nicht mit "Entwicklungspolitik" verbindet. Aktuell sei nur etwa an die wachsenden Zuwendungen an die "G5 Sahel"-Gruppe (Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad) erinnert. Zur Bekämpfung der wachsenden terroristischen Bedrohung und der organisierten Kriminalität in der Sahel-Region werden (para)militärische Einheiten aufgestellt. Dass ihre Einsätze weniger von Erfolgen, sondern regelmäßig von Berichten über massive Menschenrechtsverletzungen begleitet werden, mindert nicht die Bereitschaft der EU, sie mit umgeschichteten und umgewidmeten Entwicklungsgeldern zu finanzieren.

Bisher gab es ein Gegengewicht zu dieser Art von Politik: einen thematisch primär zuständigen EU-Kommissar für Entwicklungspolitik und ein durchaus kompliziertes Regelwerk, wie man solche unkonventionellen Umschichtungen von EU-Geldern durchführt. Das dürfte sich nun ändern. In der neuen EU-Kommission unter der Leitung der deutschen Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kann künftig deren Vizepräsident Borrell als Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik quasi im kleinen Dienstweg seine Finger in all die schönen Entwicklungshilfe-Budgettöpfe stecken. Entsprechend firmieren Entwicklungspolitik in der neuen EU-Kommission auch als "internationale Partnerschaft" und die bisherige humanitäre Hilfe als "Krisenmangement".

Ob das all die Afrika-bewegten Promis im Sinn hatten, als sie aus voller Überzeugung einen eigenen Afrika-Kommissar forderten?