Einige Anmerkungen zu einem selektiven Erfolgsbericht.
Der vor kurzem aus dem Amt geschiedene österreichische Botschafter in Israel hat die bilateralen Beziehungen der beiden Staaten in einem Gastkommentar als "herzlich wie noch nie". Oberflächlich betrachtet mag das wohl stimmen. Wenn man einige nicht ganz irrelevante Fragen ausklammert, wie es Botschafter Martin Weiss in seinem Leistungsbericht getan hat, kann man tatsächlich zu diesem Ergebnis kommen.
Um es kurz und prägnant zu formulieren: Das heutige Österreich, zumindest jenes der von der Regierung unter Sebastian Kurz und HC Strache bis 28. Mai 2019 repräsentierte, vermeidet es, zu höchst umstrittenen Maßnahmen der (noch) im Amt befindlichen israelischen Ultrarechtsregierung - und davon gibt es wahrlich genügend - klar Stellung zu nehmen. Es wäre zum Beispiel interessant gewesen, im Bericht des Botschafters Details über die Frage der völkerrechtswidrigen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels zu erfahren. Immerhin hat er als einer der ganz wenigen europäischen Botschafter an einem höchst umstrittenen Empfang zum Anlass der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem teilgenommen.
Auch fiel es auf, dass zuletzt bei Besuchen österreichischer Regierungsmitglieder in Israel von dem seit der Errichtung der palästinensischen Autonomieverwaltung beachteten Protokoll, wonach man zumindest einen Tag zu Gesprächen mit der palästinensischen Führung nach Ramallah kam, abgegangen worden ist. Den Höhepunkt einer einseitigen Parteinahme hat wohl Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka erreicht, als er sich an die israelischen Befestigungsanlagen an der Grenze zum Gazastreifen begab und dort gegen den palästinensischen Terror geiferte. Dies in einer Situation, wo der Gazasteifen seit mehr als zwölf Jahren hermetisch abgeriegelt ist und wöchentlich Tote und Verletzte durch den Beschuss der israelischen Armee zu beklagen sind (seit März 2018 waren das 214 Tote).
Das bringt mich zum Kern meines Erstaunens über den Erfolgsbericht. Für die bilateralen "Verstimmungen" in der Vergangenheit war nämlich nicht die angebliche schlechte Gastfreundschaft von Bruno Kreisky gegenüber Golda Meir verantwortlich, sondern die über Jahrzehnte geltende nahostpolitischen Doktrin Österreichs, die Erfüllung der in zahllosen UN-Resolutionen definierten völkerrechtlichen Ansprüche des palästinensischen Volkes auf Gründung eines eigenen, vor allem auch lebensfähigen, Staates zu unterstützen. Das türkis-blaue Österreich hat sich zwar davon nicht offen distanziert, aber durch zahlreiche kleine Maßnahmen und Gesten die Deutlichkeit der Vergangenheit vermieden.
Diese tendenzielle Verwässerung der österreichischen Haltung zu Israel hat zwar bereits in den Jahren davor begonnen, ist aber in der Regierung Kurz/Strache stark zum Tragen gekommen. Ob dies lediglich eine taktische Finte war, von den antisemitischen Tendenzen in der FPÖ abzulenken, ist vorstellbar, erklärt aber nicht alle Freundschaftsbezeugungen wie etwa jene zwischen Ex-Kanzler Kurz und Noch-Premier Benjamin Netanjahu.
Immerhin sind 20 Prozent der Bürger Israels Palästinenser, und deren Situation völlig auszuklammern, ist schon ein bedenklicher Mangel für einen derartigen Erfolgsbericht.