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Grenzen auf, Sozialstaat zu?

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein liberales Migrationsrecht ließe jeden rein, der für sich selbst sorgen kann - aber nur den.


Warum soll eigentlich nicht jeder, der imstande ist, sich von seiner Hände Arbeit zu ernähren und über die Runden zu kommen, das Recht haben, in die EU zu kommen und sich hier niederzulassen, egal aus welchem Teil der Welt er stammt? Wer diese Frage positiv beantwortet, dürfte sich damit in Europa derzeit vermutlich nicht allzu viele neue Freunde machen. Das dürfte allerdings Pierre Bessard, den Direktor des Liberalen Institutes in Zürich, wenig gekümmert haben, als er in der "Neuen Zürcher Zeitung" die Grundzüge einer wirklich liberalen Einwanderungspolitik skizzierte, die genau darauf begründet wäre. "Damit sich Migration zum Vorteil aller Beteiligten auswirkt", argumentierte er, "ist eine Rückbesinnung auf liberale Prinzipien nötig, die auch im innerstaatlichen Kontext eine friedliche und prosperierende Ordnung garantieren: wirtschaftliche Freiheit, Vertragsethik und Respekt vor dem Eigentum."

Möglicherweise wird hier - zumindest theoretisch - die Lösung eines Problems sichtbar, das derzeit und in den nächsten Jahren Europa umtreibt wie kaum ein anderes: die Frage, wer unter welchen Bedingungen zu uns kommen darf und wer nicht. Und wie zu gewährleisten ist, dass diejenigen kommen, die wir brauchen (also Qualifizierte), und jene nicht, die wir nicht brauchen, weil sie vor allem in den Sozialstaat einwandern wollen. Eine wirklich liberale Einwanderungspolitik gewährleistet das nicht durch bürokratische Mechanismen des Staates, sondern setzt auf den lenkenden Effekt von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt.

Das kann freilich nur funktionieren, wenn diesen freiwilligen Wirtschaftsmigranten zwar vom ersten Tag an das Arbeiten erlaubt ist, sie aber keinen Rechtsanspruch darauf haben, auch ohne Arbeit auf Kosten der einheimischen Bevölkerung leben zu können (anders als wirklich Asylberechtigte, für die das natürlich nicht zu gelten hat). "Andererseits impliziert eine solche liberale Zuwanderungsordnung, dass umgekehrt keine unerwünschte Einwanderung auf Kosten der Bürger erzwungen werden darf. Nicht erwünscht ist die Zuwanderung, wenn bestehende Eigentumsrechte von bereits Ansässigen verletzt werden", so Bessard in Hinblick auf die hohen Kosten massenhafter Zuwanderung scheinbarer Asylanten in Europas Sozialstaat.

Natürlich hat auch ein derartiges liberales Konzept von Migration seine Problemzonen. Einerseits birgt es die Gefahr eines bestimmten staatlichen Kontrollverlustes, wenn etwa Migranten keine Arbeit finden, aber dann nicht wie vorgesehen mangels Geld wieder ausreisen, sondern untertauchen und in die Illegalität abdriften. Andererseits kann es zu unerwünschten Härtefällen kommen, wenn sie unverschuldet in eine Lage kommen, in der sie aus existenziellen Gründen der Hilfe des Staates bedürfen.

Aber all das sollte lösbar sein. Grundsätzliche Einwände gegen eine liberale Migrationspolitik, die auf Eigenverantwortung (der Migranten), dem Schutz des Eigentums (der autochthonen Steuerzahler) und der Vertragsfreiheit (am Arbeitsmarkt) beruht, sind das freilich nicht. Und so toll funktioniert das derzeitige bürokratische Migrationsrecht ja auch nicht eben.