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Segeln mit Greta

Von Eva Maria Bachinger

Gastkommentare
Eva Maria Bachinger ist freie Journalistin und Autorin.
© Aleksandra Pawloff

Die Scheinheiligkeit der Überfahrt zur Klimakonferenz.


Die beiden Australier Riley Whitelum und Elayna Carausu segeln derzeit mit der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die Flüge vermeiden will, nach Spanien zur Weltklimakonferenz. Sie sind nicht zu beneiden, ein Segeltörn über den Nordatlantik zu dieser Jahreszeit ist ein frostiges Vergnügen. Die Segler sind YouTube- und Instagram-Stars: Der "Dokumentation" ihres Weltenbummler-Alltags auf einem 15 Meter langen Katamaran folgen 1,2 Million Abonnenten. Sprich: Sie zahlen dafür, jede Woche ein Video von Bord zu sehen. Diese Videos zeigen das junge Paar in allen möglichen, auch sehr privaten Situationen. Selbstverständlich ist auch ihr Kleinkind Teil der Selbstdarstellung. Schließlich bringt ein Kind mehr Aufmerksamkeit, damit mehr Geld, ebenso Videos von Fitnesstraining mit viel nackter Haut und vom Seglerleben im türkis-blauen Meer. Bilder, die für die Mehrheit der Menschheit nur ein Urlaubstraum oder gar kein Traum sind.

Thunbergs Bekanntheit wird nun zu noch mehr zahlenden Abonnenten führen. Das Paar ist seit 2014 unterwegs, mittlerweile kann man auch einen Segelführer, T-Shirts und Bademode kaufen. Am Beginn mit einem alten, kleineren Segelschiff von Griechenland aus unterwegs, wohl ehrlich davon angetrieben, einen alternativen Lebensstil auszuprobieren und möglichst nachhaltig zu leben, haben sie ihr Leben komplett kommerzialisiert - und animieren alle anderen zum Konsum. Sie wollen in ihren Videos auf die Schönheit und auch auf die Bedrohung der Weltmeere hinweisen, betonen die beiden. Man fragt sich, warum nicht solche Berichte im Vordergrund stehen, sondern die Zurschaustellung des eigenen Lebens.

Selbstverständlich ist Fliegen klimaschädlich, doch eine unangenehme Wahrheit ist auch, dass ständig online zu sein, Nachrichten, Fotos und Videos auf Social Media zu checken und zu teilen, im Hintergrund immer mehr Infrastruktur und damit immer mehr Energie braucht. Knapp 4 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen heute auf digitale Geräte zurück, Tendenz steigend. Der internationale Flugverkehr soll übrigens für 2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sein. Auch wenn noch so viele Solarpaneele und Wasserkraftgeneratoren an Bord sind, ist ein millionenteurer, mit jedem Pipapo ausgestatteter Luxuskatamaran, den sie wohl aus Marketingüberlegungen von einer französischen Werft günstig erhalten haben sollen, definitiv weniger nachhaltig als ein altes, renoviertes Segelschiff wie zu Beginn ihrer Reise. Man hat den Eindruck, sie haben sich vom Kapitalismus vereinnahmen lassen. Spiegelt ihre Vermarktung und Selbstdarstellung nicht just jene kapitalistische Ausbeutungslogik wider, die uns an die Grenze der Ressourcen bringt, die die Klimakrise verursacht?

Der Philosoph Byung Chul Han spricht mittlerweile von einer "digitalen Leibeigenschaft". Die neuen Lehnherren heißen Facebook, Google und Co. "Sie stellen uns kostenlos Land zur Verfügung und sagen uns: Beackert es fleißig. Das tun wir. Die Lehnherren holen sich die Ernte. Und wir merken nicht einmal, dass wir ausgebeutet werden." Das kapitalistische System ist so stabil, weil viele noch so idealistische Initiativen sich irgendwann dem Markt ausliefern und nach Aufmerksamkeit, Klicks und Geld gieren.