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Befristete Führungspositionen sind mehr als bloß eine Krisenfeuerwehr

Von Johann Auer

Gastkommentare

Die Interim-Management-Einsätze in Österreich haben sich seit 2017 mehr als verdreifacht, die Branche verzeichnet eine zunehmende Professionalisierung. Oft geht es darum, mit von außen geholten Kräften interne Veränderungen umzusetzen.


Eine aktuelle Deloitte-Studie zum Thema "Alternative Arbeitsformen" zeigt, dass inzwischen in 37 Prozent der österreichischen Unternehmen Interim-Manager zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen. Interim-Manager übernehmen zeitlich befristet Führungspositionen in Unternehmen, entwickeln Strategien und setzen sie eigenverantwortlich um. Sobald ihre Arbeit getan ist, verlassen sie ihre Auftragsunternehmen wieder. Während diese Unternehmensdienstleistung in Europa, etwa in Deutschland, den Niederlanden oder Großbritannien, schon länger etabliert ist, war die Entwicklung in Österreich über viele Jahre eher zurückhaltend. Noch 2017 konnte sich nur etwa jedes zehnte Unternehmen vorstellen, Manager auf Zeit einzusetzen; nun ist es mehr als jedes dritte. Die jeweiligen Erhebungen sind nicht unmittelbar vergleichbar, ein starker Trend lässt sich aber zweifellos ablesen.

Externe mit neutraler Sichtweise ohne längere Verpflichtungen

Weshalb das plötzliche Wachstum? Haupteinsatzgrund ist mit gut einem Drittel der Mandate die Umsetzung von Veränderungen, für die intern entweder kein Personal vorhanden ist oder auch spezifische Erfahrung und Wissen fehlen. Oft sind die Interim-Manager einfach an Bord, um die interne Linienführung zu entlasten, und kümmern sich um Change-Aufträge oder Geschäftsentwicklung, ohne dass das Tagesgeschäft darunter leiden müsste. Zurzeit befeuern die Digitalisierung und der Wandel der Unternehmenswelt die Entwicklung der Interim-Branche - und sorgen etwa in Deutschland schon seit ungefähr einem Jahrzehnt für ein jährliches Wachstum von 10 bis 15 Prozent. Die meisten Einsätze finden dabei in Deutschland wie Österreich in der Industrie statt, hier vor allem im Maschinen- und Anlagenbau und im Sektor Automotive.

Der Vorteil der Externen: Sie können passend zur Aufgabe individuell ausgewählt werden, sind rasch einsatzfähig und verlassen ihre Kunden dann wieder. Weil sie in dieser Zeit selbständige Unternehmer bleiben, entstehen den Kundenfirmen keine Verpflichtungen, wie sie sie festen Angestellten gegenüber hätten. Umfragen zeigen, dass den Auftraggebern gerade in Veränderungssituationen neben den entsprechenden Kompetenzen auch die neutrale Sichtweise der Führungskräfte auf Zeit wichtig ist. Diese Objektivität kann sich im Hinblick auf Widerstände, die bei Veränderungen an der Tagesordnung sind, positiv auswirken. Auch "Frischen Wind einbringen" steht auf der Wunschliste der Unternehmen ganz oben.

Viele Anbieter, aber kaum Transparenz bei der Qualität

Durch das starke Branchenwachstum ist es aber nicht leicht, passende Kandidaten aus dem stetig wachsenden Pool auszuwählen, der hierzulande etwa 1000 bis 1500 Anbieter beinhaltet. Neben den dezidierten Interim-Managern selbst fischen allerhand weitere Anbieter, etwa auch Beratungsunternehmen oder ehemalige Geschäftsführer, in den einträglichen Gewässern. Ein transparentes Qualitätsmerkmal, das den Markt strukturieren und damit auch übersichtlicher machen würde, gibt es noch nicht.

Dennoch professionalisiert sich die Interim-Branche. Den ersten Schritt dafür bildete die Schaffung nationaler Dachverbände. Im deutschsprachigen Raum sind das die DDIM (Dachgesellschaft Deutsches Interim Management), der DSIM (Dachverband Schweizer Interim Manager) und der DÖIM (Dachorganisation Österreichisches Interim Management). Schon hier zeigt sich ein möglicher Grund, weshalb die Entwicklung in Österreich im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz verzögert ist: Die DDIM wurde bereits 2003 gegründet, der DSIM 2006 und die DÖIM erst im Dezember 2013. Auf einen allgemeingültigen Qualitätsstandard hat man sich aber noch in keinem der Länder geeinigt.

Das "Interim Executives Programme" der European Business School (EBS) im deutschen Oestrich-Winkel ist bis dato das einzige universitäre Ausbildungsangebot im deutschen Sprachraum und könnte sich in Zukunft als Standard etablieren. Studienleiter ist seit heuer der Wahl-Salzburger Siegfried Lettmann. Er ist selbst seit Jahren als Interim-Manager mit Fokus auf Transformation im Vertrieb aktiv und wurde für seine Mandate bereits mehrmals auf nationaler und internationaler Bühne ausgezeichnet. Auch er stellt fest, dass der räumliche Schwerpunkt seiner Einsätze sich verlagert. "Früher spielten sich die meisten meiner Aufträge in Deutschland ab. Das ändert sich zurzeit, ein immer größerer Teil meiner Mandate findet in Österreich statt", so Lettmann. Ende 2018 startete auch die österreichische Fachgruppe UBIT (Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT) gemeinsam mit der DÖIM einen neuen Zertifikatslehrgang.

Veränderung statt Sanierungals Haupteinsatzgebiet

Der Ruf als "Unternehmensfeuerwehr" klingt trotz allem nur langsam ab. Obwohl inzwischen ein Großteil der Aufträge Themen wie der Marktentwicklung gilt, sehen viele die Manager auf Zeit immer noch - fälschlicherweise - als Sanierer. Das mag an den historischen Wurzeln liegen: Unter anderem, dass Interim-Management im deutschen Sprachraum zum ersten Mal so richtig zur Geltung kam, als nach dem Mauerfall westliche Manager die DDR-Betriebe von planwirtschaftlichen zu privatwirtschaftlichen Unternehmen "sanierten". Eine weitere wichtige Auftragsquelle waren Banken, die die externen Spezialisten einsetzen, um in letzter Sekunde Unternehmenskonkurse abzuwenden. Man brauchte in diesen Fällen raschen Ersatz für das fixe Management, das nicht selten als für die Krise mitverantwortlich betrachtet wurde. Restrukturierungen wurden damit zur Wiege des Interim-Managements.

Erst im Anschluss entwickelte es sich so, wie wir es heute kennen. Im Laufe der 1990er befeuerten globale Marktveränderungen und neue Wettbewerbssituationen die Branche und veränderten sie nachhaltig. Die damalige Situation ist mit der heutigen durchaus vergleichbar: Neue Technologien, anspruchsvollere Kunden und intensiver Wettbewerb in dynamischem Umfeld machten und machen es angesichts immer größerer Aufgabenvielfalt schwerer, alle erfolgskritischen Kompetenzen stets selbst vorzuhalten.

Kombination aus Strategiearbeit und operativer Umsetzung

Im Vergleich zu diesen komplexen Tätigkeitsfeldern ist die Unternehmensrettung aber medial ein griffigeres Motiv. Robert Eichinger, Interim-Manager und Vorstandsmitglied der DÖIM, erklärt, dass zwar etwa drei Viertel der Aufträge Ausbau und Wachstum gelten, Restrukturierungen aber wohl einfach spannendere Storys ausmachen. Vielleicht ist es auch die Kombination aus Strategiearbeit und gleichzeitiger operativer Umsetzung, die diese Dienstleistung für manche schwer einschätzbar macht. Als Definition hat sich durchgesetzt: Beim Auftrag handelt es sich um eine zeitlich genau abgegrenzte Managementaufgabe, die einem besonderen Zweck dient und dafür mit bestimmten Befugnissen ausgestattet ist.

Der allgegenwärtige Wandel in den Unternehmen wird die Dienstleistung Interim-Management auch in Österreich weiter antreiben, so viel scheint sicher. "Fachexperten mit entsprechendem Organisationswissen und Change-Erfahrung werden für österreichische Betriebe immer wichtiger. Im Zentrum steht dabei selten eine Sanierung, vielmehr geht es für die Unternehmen um Geschäftsentwicklung und darum, Chancen erkennen und nutzen zu können", erklärt Lettmann.