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Korruption bremst Reformen im Irak

Von Markus Schauta

Gastkommentare
Markus Schauta ist freier Journalist, seit 2011 berichtet er aus Kriegs- und Krisengebieten in Nahost.
© privat

Anstatt aus den vergangenen Jahren zu lernen, machte die Regierung weiter, als wäre nichts geschehen.


Als Abdul Mahdi vor einem Jahr sein Amt als irakischer Premier antrat, versprach er Reformen. Doch die gibt es bis heute nicht. Deshalb gehen die Menschen seit zwei Monaten auf die Straße und protestieren gehen hohe Arbeitslosigkeit, iranische Interventionen und eine darniederliegenden öffentliche Verwaltung. Vor allem aber protestieren sie gegen den Sumpf aus Korruption, der diese Probleme hervorbringt.

Diese Missstände sind nicht neu, sondern haben den Post-Saddam-Irak von Anfang an geprägt. In den Jahren vor 2014 hat die politische Elite mit dem Auseinanderdividieren der Gesellschaft und ihrer schrankenlosen Selbstbereicherung große Teile der Iraker vom Staat entfremdet. So weit, dass sie sogar im IS eine Alternative sahen, die sie aus der Geiselhaft eines Staates befreite, der keine seiner Aufgaben mehr erfüllen konnte: Korruption erstickte jede Reform, gewalttätige Milizen terrorisierten die Bevölkerung, und geldgierige Regierungsbeamte nahmen sich, was sie kriegen konnten.

Der Fall von Mossul im Sommer 2014 war im Wesentlichen einem sich in Auflösung befindlichen Militär geschuldet. Tausende Soldaten existierten nur auf dem Papier, die Soldzahlungen an die Geistersoldaten kassierten Offiziere ein.

Nein, das gute Leben für alle gab es auch unter dem IS nicht. Was es stattdessen gab, ist hinlänglich bekannt. Doch anstatt aus den Geschehnissen zu lernen, machte die irakische Regierung weiter, als wäre nichts geschehen. Die endemische Korruption spült immer noch völlig Ungeeignete auf wichtige Verwaltungsposten, und der Verfall staatlicher Infrastruktur und Dienstleistungen schreitet zügig voran.

Daher also die Proteste, auf die die Regierung mit dem Versprechen reagiert, endlich alles anders zu machen. Gelingen kann das nur, wenn der lähmenden Korruption der Kampf angesagt wird. Doch dafür müsste die Einteilung der Politik in ethnisch-religiöse Lager beendet werden. Dieses System, Muhasasa genannt, hat zu einer Privatisierung des Staates geführt, bei der sich die Parteien untereinander die Ressourcen aufteilen: Das staatliche Gewaltmonopol wurde zu Gunsten parteinaher Milizen gebrochen, Medien sind nicht einer möglichst objektiven Berichterstattung, sondern der Parteipropaganda verpflichtet, und Wirtschaftszweige dienen in erster Linien dazu, die Parteien und ihre Mitglieder zu finanzieren. Um ihre Klientel zu bedienen, schufen die Politiker immer neue Staatsposten. Gab es 2004 noch 850.000 Staatsangestellte, schwillt der Beamtenapparat bis 2016 auf sieben bis neun Millionen an. Freilich, ohne dass damit eine Verbesserung der Staatsdienste einherginge.

All das hat den Staat geschwächt, der seinen Grundaufgaben nicht mehr nachkommen kann. Dass Premier Mahdi nun seinen Rücktritt angeboten hat, wird die Probleme nicht lösen. Wirkliche Reformen kann es nur geben, wenn die sich auf Kosten der Staatsressourcen bereichernde Klientelpolitik durch eine Politik abseits ethnisch-religiöser Lager ersetzt wird. Ansätze, diese zu sprengen, gibt es bereits, etwa in Form parteiübergreifender Wahlbündnisse.