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Schulden machen, bis der Arzt kommt

Von Christian Ortner

Gastkommentare

"Der Versuch, eine Krise, ausgelöst durch Schulden, durch noch mehr Schulden zu bekämpfen, ist gescheitert."


Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist im Begriff, einen in den Augen vieler Kommentatoren, einiger Nobelpreisträger sowie der neuen retrosozialistischen SPD-Spitze unverzeihlichen wirtschaftspolitischen Fehler zu machen: Der deutsche Bundeshaushalt wird 2019 nicht nur keine neuen Schulden ausweisen, sondern sogar einen leichten Überschuss verbuchen, die berühmte "schwarze Null" also. Damit hält sich Deutschland zum ersten Mal seit vielen Jahren an die im Maastricht-Vertrag der EU rechtlich bindend vorgeschriebene Schuldenobergrenze von 60 Prozent des BIP und entspricht auch den Vorgaben der sogar verfassungsrechtlich bindenden Schuldenbremse sowie dem alten keynesianischen Grundsatz, wonach der Staat in guten Zeiten Verbindlichkeiten abzubauen hat.

Aber all das ist für die zahllosen Kritiker des deutschen Weges gelebter Finanzstabilität offenbar eine Art Todsünde wider die Theorie, wonach man von Schulden wohlhabend wird. Sich an Gesetze, Verträge und die wirtschaftliche Vernunft zu halten, gilt hingegen offenbar als deliktisch, während nur der Bruch des Rechtes und der Betrieb eines staatlichen Pyramidenspiels als gute Politik gelten. Verrückte Zeiten.

Leider ist zu befürchten, dass - dem ökonomischen Zeitgeist folgend - eher früher als später auch Deutschland - und in seinem Windschatten Österreich - wieder zu einer Politik des Schuldenmachens zurückkehren wird. Unter dem Allzweckvorwand "Klimaschutz" und getrieben von der SPD oder einem allfälligen grünen Koalitionspartner, wird die vom Ende der Ära Angela Merkels geschwächte CDU die "schwarze Null" wohl in absehbarer Zeit opfern. Machen derzeit ja eh fast alle, von den USA unter republikanischer Führung bis hin zu den meisten EU-Staaten gelten Schulden wieder als en vogue, während finanzpolitische Stabilität als wachstumshemmend und irgendwie gestrig gilt.

Das ist insofern bemerkenswert, als es jetzt gerade ein Jahrzehnt her ist, dass die Welt beinahe von einer durch Überschuldung ausgelösten Finanzkrise in den Abgrund gezogen worden wäre. Daraus den Schluss zu ziehen, dass noch mehr Schulden gemacht werden müssen, ist intellektuell herausfordernd. Man könnte auch sagen: hirnrissig. Denn schon im vergangenen Jahrzehnt war weltweit von einer Sparpolitik - mit der Ausnahme Deutschlands - nur in der Fantasie etwas zu sehen. Seit 2007 sind die Schulden dramatisch angewachsen, ohne dass damit nennenswertes Wachstum oder gar unternehmerische Investitionen stimuliert wurden.

"Der Versuch, eine Krise, ausgelöst durch zu viele Schulden und zu billiges Geld, durch noch billigeres Geld und noch mehr Schulden zu bekämpfen, ist damit offiziell gescheitert", diagnostiziert der deutsche Ökonom Daniel Stelter, "umso schlimmer, dass die Politik in Europa (. . .) und die EZB, statt dies anzuerkennen, auf Verstärkung der Dosis setzen. Nach dem Motto: Es wirkt nicht, also nehmen wir mehr davon." Und wenn es dann noch immer nicht reicht, nehmen wir halt noch viel mehr davon. In verrückten Zeiten ist das ja ganz normal.