In der Weihnachtszeit gibt es nun wieder verstärkt das Essen und Feiern für den guten Zweck. Überall Spendenaufrufe, die an die soziale Verantwortung appellieren. Leicht könnte man in den angenehmen Gedanken verfallen, dass es da einen echten gesellschaftlich breit aufgestellten Konsens gebe, Armut und soziale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Doch Pausengespräche und Aussagen von Vortragenden auf Veranstaltungen - dies sogar rund um das Thema bessere Arbeitsbedingungen, aber auch Armutsbekämpfung - zeigen, dass dem in Wahrheit nicht so ist.

So beantwortete etwa eine Recruiterin eines großen Unternehmens, das in der Öffentlichkeit unter anderem für soziale Verantwortung eintritt, die Pausenfrage, was passieren müsste, damit möglichst viele Menschen gute Arbeitsbedingungen vorfinden, knallhart mit der Gegenfrage: "Warum sollten mich die anderen interessieren? Ich schaue nur, dass es mir gut geht. Ich bin schließlich keine Weltverbesserin."

Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien (www.rechtsanwaeltin-braun.at). - © Doris Mitterer
Katharina Braun ist Rechtsanwältin in Wien (www.rechtsanwaeltin-braun.at). - © Doris Mitterer

Ein Mann erzählte, er wohne in der Nähe eines Supermarkts und komme immer wieder mit den Kassiererinnen ins Gespräch. Für eine Mitarbeiterin, die aus dem Burgenland pendle, sei es doch nun wunderbar, drei Tage am Stück zwölf Stunden arbeiten zu können. Denn so könne sich die Frau an den restlichen Tagen das Fahren nach Wien sparen. Was an den überlangen Arbeitstagen allerdings mit ihren Kindern passiert, blieb ungeklärt. Ebenso blieb offen, ob die Frau an den "arbeitsfreien" Tagen nicht doch noch etwas Erholung von der Arbeit bräuchte. Unklar auch, ob der Mann sich für sich selbst so ein Familienmodell vorstellen könnte.

Den Vogel abgeschossen hat eine Sprecherin, die das Publikum wissen ließ, dass es wichtig sei, bereits Kinder mit Geldangelegenheiten vertraut zu machen. Dies am besten, indem man mit ihnen zu einer Hauptversammlung von Walt Disney fahre. Nun, für die meisten anwesenden Frauen war das wohl ein Hohn auf ihre Lebensrealität. Dieses Statement erinnert jedenfalls sehr an eine französische Königin, die gesagt haben soll: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen."

Diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, bitten oft nicht darum

Unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. In Österreich gelten 1,25 Millionen Menschen als armutsgefährdet. Besonders stark betroffen von der Armutsgefährdung sind Alleinerzieherinnen mit kleinen Kindern. Und fast jede fünfte Frau über 65 Jahren ist in Österreich von Altersarmut betroffen. Tatsächlich kennt fast jeder persönlich Menschen, die unter prekären Verhältnisse leben müssen. Sei es die geschiedene Frau, die wegen der Kinder keinem Erwerb nachging und nun nach der Scheidung ohne Eigenpension dasteht. Sei es die Akademikerin, die krankheitsbedingt erwerbsunfähig wurde. Sei es der Selbständige, dessen Umsatz einbrach und dessen Geld nicht für eine Versicherung ausreichte.