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Wichtige Juniorpartner für Branchenriesen

Von Antonia Frizberg, Michael Wlaschitz und Verena Judmayer

Gastkommentare

In Zeiten von Open Innovation setzen etablierte Unternehmen im deutschsprachigen Raum auf die Innovationskraft von Start-ups, um ihre Marktposition zu verteidigen und Wachstum erreichen zu können.


Das große Potenzial von Start-ups ist in aller Munde. Gefühlt schießen sie aus dem Boden wie Pilze im Wald und bieten einen fruchtbaren Nährboden für Innovationen aller Art. Zu Beginn wurde in Garagen getüftelt, mittlerweile kennt jeder Airbnb, Spotify oder N26. Als Start-ups werden schnell wachsende, junge Unternehmen mit innovativen, meist digitalen Geschäftsmodellen und neuartigen Technologien bezeichnet. So haben es die eben genannten Start-ups beispielsweise geschafft, ganze Industrien auf den Kopf zu stellen oder sogar neue Märkte innerhalb bekannter Industrien zu schaffen. N26, eine deutsche Direktbank, übt mit einfachen, flexiblen und digitalen Produkten und Services gehörig Druck auf den traditionellen Bankensektor aus.

Erhöhter Wettbewerbsdruckauf etablierte Unternehmen

Auch etablierte Unternehmen anderer Industrien stehen mehr denn je unter Druck. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter eines S&P-500-Unternehmens unter 20 Jahren, gegenüber 60 Jahren in den 1950er Jahren. Diese Neueinsteiger sind oft kundenorientierter, schneller und unabhängig von komplexen Organisationsstrukturen, was ihnen in vielerlei Hinsicht Vorteile verschafft.

Eine aktuelle Studie der österreichischen Innovationsberatung Pioneers zur DACH-Region (Deutschland/Österreich/Schweiz) enthüllt, wie die größten Unternehmen vorgehen, um ihre Marktposition verteidigen zu können. In der Tat fokussieren 82 Prozent der befragten 104 Unternehmen auf Innovation, um ihre Wettbewerbsvorteile aufrecht zu erhalten beziehungsweise auszubauen. Mehr als die Hälfte der befragten österreichischen Firmen zielen zudem auf Umsatzwachstum (58 Prozent) sowie die Anpassung an Kundenerwartungen (60 Prozent) ab.

Um diese Ziele zu erreichen, setzen etablierte Unternehmen auf Open Innovation - ein Innovationsansatz, bei dem sich Unternehmen für mehrere externe Quellen öffnen und im Falle einer Start-up-Kooperation intern entwickelte Ideen proaktiv mit Start-ups austauschen. Diese Zusammenarbeit schärft nicht nur intern das Bewusstsein für Innovation und Disruption, sondern ermöglicht gegenseitige Lerneffekte in Bereichen wie Agilität und Produktentwicklung. Im besten Fall entsteht eine Win-Win-Situation, im Rahmen derer Kunden, Start-ups und etablierte Unternehmen von gemeinsamen Innovationen profitieren können.

Laut der Pioneers-Studie arbeiten im DACH-Raum insgesamt bereits 88 Prozent der befragten Unternehmen mit Start-ups, weitere 10 Prozent streben in den nächsten zwei Jahren eine solche Zusammenarbeit an. Etablierte österreichische Unternehmen haben hierbei allerdings noch Aufholbedarf, da aktuell nur 77 Prozent mit Start-ups kooperieren. Allen voran wollen Letztere mit diesen Kooperationsaktivitäten neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln (85 Prozent), Ideen dafür generieren (41 Prozent) oder Prozesse innovieren (38 Prozent).

Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Start-ups

Wenn man die Arbeitsweise, Flexibilität und Stabilität von Start-ups und etablierten Unternehmen vergleicht, wird häufig eine simple Analogie zur Schifffahrt hergestellt: Man stelle sich vor, eine große Yacht ist im Mittelmeer unterwegs und wird von einem kleinen Motorboot eingeholt. Die Yacht ist sehr stabil, kann allerdings nicht spontan umlenken und benötigt mehr Zeit. Das Motorboot hingegen ist schnell und wendig, kentert jedoch viel leichter als die Yacht. Basierend auf diesen gravierenden Unterschieden ergeben sich auch die größten Herausforderungen bei der Zusammenarbeit zwischen beiden Akteuren. 47 Prozent der etablierten Unternehmen im DACH-Raum haben mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen und Arbeitsmethoden zu kämpfen, während 46 Prozent von interner Resistenz und Verschlossenheit gegenüber Kooperationsaktivitäten gefordert sind.

Obwohl die kulturelle Kompatibilität offensichtlich eine große Herausforderung darstellen kann, versäumen es viele Unternehmen, diesem Thema eine hohe Priorität bei der Zielsetzung von Innovationsstrategien zuzuschreiben. Nur 38 Prozent erachten Verbesserungen der Innovationskultur als essenziell. Auch auf technologischer Seite ergeben sich Hürden, zumal sich die IT-Infrastruktur bei etablierten Unternehmen häufig viel komplexer darstellt und Start-ups häufig mit neuesten Technologien arbeiten. So erfahren 46 Prozent Herausforderungen bei der technischen Integration gemeinsamer Projekte.

Verbesserungen der Innovationskultur

Während bei der Zusammenarbeit mit Start-ups kulturelle Barrieren eine bedeutende Rolle spielen können, sind solche Kooperationen auch Teil der Lösung, um die Kultur in etablierten Unternehmen zu transformieren und gezielt ein innovatives Mindset zu verankern. Ein gutes Drittel der befragten Unternehmen erreicht bereits heute Verbesserungen der Innovationskultur durch Kooperationen mit Start-ups. In Interviews mit erfahrenen Unternehmen in Start-up-Kooperationsaktivitäten zeichneten sich folgende drei Lerneffekte ab, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit begünstigen:

An erster Stelle liegen gezieltes Erwartungsmanagement sowie die Einstellung gegenüber Unsicherheiten. Für eine erfolgreiche Start-up-Kooperation ist es wichtig, einen klaren Rahmen zu schaffen und konkrete Ziele und Timelines gemeinsam zu definieren.

Zweitens spielen Fairness und Transparenz eine wesentliche Rolle. Für langfristige Beziehungen mit beidseitigem Vorteil müssen beide Akteure einander auf Augenhöhe begegnen, Wert auf die Bedürfnisse des anderen legen und eine transparente Kommunikation forcieren.

Drittens zeigt sich, dass Kooperationen nur mit der richtigen Struktur und Kultur funktionieren. Beidseitiges, ehrliches Commitment sollte an erster Stelle stehen, während vorab aufgesetzte "fast-tracks" in etablierten Unternehmen die Prozesse für die Zusammenarbeit deutlich beschleunigen. Zudem müssen kulturelle Unterschiede aktiv wahrgenommen und geschätzt werden, da diese viel Lernpotenzial für beide Seiten bieten.

Zu guter Letzt zeigt sich durch die Studie, dass der klassische Start-up-Ansatz von "learning by doing" auch bei etablierten Unternehmen zunehmend zum Einsatz kommt. Die Kooperation traditioneller Betriebe mit Start-ups birgt viele Chancen und kann vor allem die Transformation zu einem innovativen Marktführer maßgeblich unterstützen.

Studie zu Start-ups und etablierten Unternehmen:

pioneers.io/innovation-study