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Es ist unsere Entscheidung

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Wollen wir im Jahr 2030 zufrieden zurückblicken, braucht es einen grundlegenden Mentalitätswechsel.


Am Ende des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts liegt eine seltsam pessimistische Grundstimmung in der Luft; nicht so recht fassbar, aber doch deutlich spürbar. Nach einer außergewöhnlich langen Phase robusten Wirtschaftswachstums scheint ein Abschwung früher oder später unvermeidlich und der Euro noch immer nicht nachhaltig gerettet; die Angst davor, dass wir dank Klimawandel demnächst gegrillt werden, nimmt pathologische Züge an; die Konflikte zwischen China, den USA, einem womöglich zerbröselnden Europa und Russland werden immer bedrohlicher; die unerfreulichen Folgen der großen Migrationswelle seit 2015 nehmen immer mehr Menschen wahr, und die Gefahr einer neuerlichen Welle illegaler Zuwanderung steigt wieder. Ökonomische (mehr Schulden!), politische (wir kennen sie) und jede Menge anderer Scharlatane haben Hochkonjunktur. Die Liste der Sorgen, Befürchtungen und Ängste der Menschen ließe sich beliebig verlängern.

Es sind Emotionen, die ja durchaus faktenbasiert sind, zum überwiegenden Teil jedenfalls. Und trotzdem wirkt diese verbreitete Trübsal irgendwie unangemessen, blickt man auf die Bilanz des zu Ende gehenden Jahrzehntes zurück. Alles in allem waren es nämlich nicht gerade schlechte Jahre. So sank allein zwischen 2010 und 2019 der Anteil der "extrem Armen" (1990 noch 36 Prozent der Weltbevölkerung) von 10 auf knapp über 8 Prozent, dank Globalisierung und Marktwirtschaft - in absoluten Zahlen ein Rückgang um 150.000, und zwar pro Tag, über zehn Jahre hinweg. So ging, eng verbunden damit, die Kindersterblichkeit um etwa ein Drittel zurück, was zwei Millionen geretteten Menschenleben pro Jahr entspricht. So stieg in einem einzigen Jahrzehnt die Lebenserwartung global von 69,5 auf 72,6 Jahre an.

Und es ging, wer hätte das gedacht, die Zahl der Opfer von Naturkatastrophen seit 2010 um etwa 30 Prozent zurück, was natürlich wiederum mit dem gestiegenen Wohlstand zusammenhängt.

Nun wird trotzdem kein vernünftiger Mensch bestreiten, dass es trotz dieser Erfolgsbilanz schwerwiegende Probleme sonder Zahl gibt, keine Frage. Dennoch zeigen die im vergleichsweise kurzen Zeitraum von zehn Jahren errungenen Fortschritte, wozu wir grundsätzlich imstande sind.

Wollen wir im Jahr 2030 einigermaßen zufrieden auf das dann abgelaufene Jahrzehnt zurückblicken, wird vor allem ein gewisser Wechsel mancher grundlegender Mentalitäten in den westlichen Gesellschaften von Nöten sein. Wenn der Kapitalismus weiter an Akzeptanz verliert und gleichzeitig retrosozialistische Fantasien von Enteignung, staatlicher Planifikation und Wohlstand durch Gelddrucken an Terrain gewinnen, wird das eher nichts werden. Wenn technologischer Fortschritt, Rationalität und die Tradition der Aufklärung durch pseudoreligiöse Öko-Kulte des Verzichtes, der Selbstgeißelung und der Für-was-auch-immer-Scham bedroht werden, wird das ebenfalls nichts. Und wenn wir schließlich glauben, Wohlstand durch Schulden und immer mehr Schulden zu schaffen, wird das ausgehen, wie es immer ausgeht.

Es ist an uns, uns zu entscheiden.