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Nachhaltige EU-Finanzpolitik gefragt

Von Margit Schratzenstaller

Gastkommentare
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Der Green Deal der EU-Kommission erfordert breit angelegte Initiativen, etwa bei den Steuern und im Emissionshandel.


Zur Umsetzung der Prioritäten der neuen Europäischen Kommission ist die Finanzpolitik ein zentraler Hebel. Die angestrebte nachhaltige Entwicklung und eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, die soziale Gerechtigkeit und Wohlstand schafft, erfordern breit angelegte europäische finanzpolitische Initiativen. Diese bündeln sich zunächst in den Plänen für den Europäischen Green Deal mit einer CO2-Bepreisung als Herzstück.

So wären erstens im Rahmen der seit langem überfälligen Neufassung der Energiesteuerrichtlinie die seit 2003 nicht mehr erhöhten Mindeststeuersätze entlang eines längerfristigen Pfades schrittweise zu erhöhen. Diese sollten sich stärker als bisher am CO2-Gehalt fossiler Energieträger orientieren beziehungsweise sollte ein expliziter Mindeststeuersatz für eine CO2-Abgabe erwogen werden. Zweitens sollte ein reformiertes Emissionshandelssystem für stetig steigende CO2-Preise sorgen. Ein ergänzender CO2-Grenzausgleich sollte sicherstellen, dass auf importierte Güter der in der EU geltende CO2-Preis aufgeschlagen wird.

Drittens sollte im Rahmen der geplanten Überarbeitung der Verschuldungsregeln eine grüne goldene Regel diskutiert werden. Sie würde dafür sorgen, dass die EU-Länder den zur Erreichung der Klimaziele erforderlichen Investitionsschub in klimafreundliche Infrastruktur auch durch zusätzliche Defizite finanzieren dürfen, ohne dadurch die Defizitvorgaben zu verletzen.

Viertens muss das EU-Budget grüner werden: durch eine deutliche Erhöhung der Klimaschutzausgaben in allen Ausgabenbereichen, den Ausschluss von Förderungen für fossile Infrastruktur sowie grüne Eigenmittel, etwa Steuern auf den Flugverkehr.

Die derzeitige - gerechtfertigte - Priorisierung des Klimaschutzes darf jedoch nicht vergessen machen, dass eine nachhaltige EU-Finanzpolitik noch weitere wichtige Elemente hat. So erfordert eine stärkere Nachhaltigkeitsorientierung des EU-Budgets neben mehr grünem europäischen Mehrwert einen stärkeren Fokus auf eine gemeinsame Asyl- und Migrations- sowie Integrationspolitik, aber auch mehr Mittel für Forschung und Entwicklungszusammenarbeit. Daneben sollten die seit fast zwanzig Jahren verfolgten Initiativen für eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung endlich zu einem Abschluss gebracht werden.

Die angestrebte Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Basis braucht ergänzend einen Mindeststeuersatz, um zu verhindern, dass die EU-weit langfristig deutlich gesunkenen Körperschaftsteuersätze noch weiter reduziert werden. Ebenso ist ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Besteuerung von Digitalunternehmen sowie von Finanztransaktionen unabdingbar. Schließlich: Zentrale Voraussetzung für raschere Fortschritte in der EU-Steuerpolitik ist die Verwirklichung eines Vorstoßes der Vorgänger-Kommission - nämlich, das geltende Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen durch ein qualifiziertes Mehrheitsverfahren zu ersetzen. Nur so kann vermieden werden, dass einzelne Mitgliedsländer Reformprojekte von Bedeutung für die gesamte EU blockieren.

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