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Ein sehr starkes Bekenntnis zur Entwicklungspolitik

Von Michael Obrovsky

Gastkommentare
Michael Obrovsky ist Kommunikationswissenschafter und seit 1984 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung. Schwerpunkte seiner Arbeit sind vor allem Fragen der österreichischen und internationalen Entwicklungspolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungsfinanzierung. Seit 1994 ist er als Lehrbeauftragter an der Universität Wien sowie seit 2011 an der Donauuniversität Krems tätig sowie Mitglied in verschiedenen Gremien entwicklungspolitischer Einrichtungen.
© Elisabeth Bolius

Ein ambitioniertes Programm braucht aber auch eine budgetäre Grundlage.


Das türkis-grüne Regierungsprogramm 2020 bis 2024 enthält das stärkste Bekenntnis zur Entwicklungszusammenarbeit beziehungsweise zur Entwicklungspolitik seit Jahrzehnten. Neben der Erhöhung der Leistungen sind vor allem die Verknüpfungen vieler Politikbereiche zu gesamtstaatlichen Strategien und die Einbettung der Politik in die "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" hervorzuheben. Langjährige Erfahrungen zeigen aber, dass man mit Vorschusslorbeeren noch auf die konkrete Budgetplanung warten sollte.

Das Programm enthält ein klares Bekenntnis zur stärkeren Hilfe vor Ort, wobei die humanitäre Hilfe (Auslandskatastrophenfonds) substanziell aufgestockt werden soll. Die schrittweise Erhöhung der nicht näher definierten "Entwicklungsgelder" Richtung 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts ist zwar festgeschrieben, konkretisiert und mit einem Stufenplan unterlegt wird sie aber nicht. Das Bekenntnis zur Aufwertung und zur ausreichenden Finanzierung der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit folgt der Notwendigkeit, die "Agenda 2030" sowie globale Zusammenhänge verständlich zu kommunizieren.

Klar ist jedenfalls: Stärkere Hilfe vor Ort und ausreichende Finanzierung der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit werden nur mit einer signifikanten Erhöhung des Budgets der Austrian Development Agency (ADA) möglich sein.

Für die "Humanitäre Hilfe" soll eine Strategie mit Zielen und Zuständigkeiten formuliert werden. Das Dreijahresprogramm der ADA soll laut Regierungsprogramm zu "einer Gesamtstrategie für eine kohärente, gesamtstaatliche und treffsichere Entwicklungspolitik" weiterentwickelt werden. Die Erarbeitung einer gesamtstaatlichen Länderstrategie zu China sowie einer gesamtstaatlichen Afrika-Strategie unterstreicht eine umfassendere strategische Perspektive. Eine wirkungsvolle interministerielle Koordinierung soll sicherstellen, "dass die Maßnahmen die Erreichung der entwicklungspolitischen Ziele fördern".

Eine kohärente, gesamtstaatliche Politik zur Förderung einer globalen nachhaltigen Entwicklung passiert aber nicht automatisch, es braucht dafür politikfeldübergreifende Instrumente, mit denen Interessenkonflikte diskutiert und politisch hochrangig - auf Basis einer faktenbasierten Folgenabschätzung der verschiedenen Politikbereiche auf die globale nachhaltige Entwicklung - entschieden werden. Konkrete Hinweise auf Mechanismen und Steuerungsinstrumente zur Realisierung einer gesamtstaatlichen Entwicklungspolitik fehlen allerdings im neuen Regierungsprogramm.

Ein ambitioniertes Regierungsprogramm, das die Bekämpfung des Klimawandels und die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen mit Hilfe kohärenter, gesamtstaatlicher Politiken verfolgt, ist zwar ein guter Beginn. Der nächste Bundesfinanzrahmen für die kommenden vier Jahre sowie der konkrete Budgetentwurf für 2020 wird allerdings erst zeigen, ob beziehungsweise für welche konkreten Budgetansätze mehr Mittel für eine "gesamtstaatliche Entwicklungspolitik" Österreichs geplant sind.

Eine Langfassung des Gastkommentars finden Sie hier.