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Lebendige Gedenkkultur der Nachfahren

Von Kerstin Kellermann

Gastkommentare
Der afroamerikanische Maler Kehinde Wiley malte alle möglichen jungen israelischen Männer, um die Vielfalt Israels darzustellen. Hier ist es ein junger Israeli äthiopischer Herkunft.
© The Jewish Museum

Wien fehlt ein Raum für die Werke junger Künstler, die sich mit Opfern der Nazis auseinandersetzen.


In der Ausstellung "Nicht mehr verschüttet" zeigt das Haus der Geschichte in Wien gerade beim Umbau in der Malzgasse gefundene Gegenstände der Talmud-Thora-Vereinsschule und der Vereinssynagoge. Sehr schnell und mutig wurden hier, direkt in der Halle vor dem Hitler-Balkon, materielle Reste der Verwüstungen durch das Novemberpogrom präsentiert. Speziell zur Gedenkkultur zum Holocaust sollte es viel mehr Möglichkeiten geben, flott und neuartig hinauszugehen zu den Betrachtern. Die vorige Regierung versprach, einen Verein finanziell zu unterstützen, der eine Wand der Namen der Wiener Ermordeten errichten möchte. Nun ist zum Beispiel so eine Wand für die in New York auf Elis Island Inhaftierten sehr eindrucksvoll, und man ist gerührt, wenn man Vorfahren entdeckt. Es ist eine Art offizieller Anerkennung. Trotzdem katapultiert diese Art der Erinnerung den Holocaust in etwas Vergangenes, während die Nachfahren der Ermordeten oder Geflüchteten doch leben und zum Teil künstlerisch arbeiten.

Wie kann man lebendig gedenken? So, dass auch die Nachfahren miteinbezogen werden? Und bitte nicht immer Bäume pflanzen! Die derzeitige dreistöckige Auschwitz-Ausstellung im Museum of Jewish Heritage in New York bringt im Halbdunkel viele Gegenstände, Lebensgeschichten und Bilder von Felix Nussbaum auf Lichttafeln aufgezogen. In Wien wurde vor kurzem die österreichweit einzige Einzelausstellung eines Auschwitz-Überlebenden, des Malers Dolfi Frankl, zugesperrt. Der Sohn konnte die Last nicht mehr alleine tragen. Keine Institution kam ihm zu Hilfe.

In New York zeigt das Jewish Museum am Central Park zeitgenössische Kunst in Kommunikation und Auseinandersetzung mit Ritualgegenständen. Also Religion auch als soziale Kultur gedacht. Dadurch entstehen völlig neue Zusammenhänge mit heutigem jüdischen Leben und Anregungen. Die Ausstellungen im Jüdischen Museum Wien sind extrem ambitioniert und fleißig gestaltet, aber manchmal etwas zu pompös gehalten. Sie leben nicht immer. Vor allem werden keine jungen jüdischen Künstlerinnen und Künstler gezeigt. Es fehlt in Wien an einem neuen, frechen Raum, der das jüdische Leben einfängt, inklusive aller Schäden durch die Vergangenheit und deren emotionale Weitergabe durch die Generationen. Dieser könnte ja an ein neues Haus der Geschichte angeschlossen sein.

Kerstin Kellermann ist Journalistin und Kuratorin in Wien.

Mehr Info:

https://mjhnyc.org/

https://thejewishmuseum.org/