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Wer soll uns denn bitte angreifen?

Von Lukas Bittner

Gastkommentare
Lukas Bittner hat Politikwissenschaft studiert und ist Mitarbeiter in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung.
© privat

In der Debatte um das Bundesheer geht es vor allem um die richtige Fragestellung.


In Diskussionen um die Finanzierung des Bundesheeres kommt sehr schnell die Frage auf: Wer soll uns denn bitte angreifen? Und auch wenn die Frage berechtigt klingt, so ist sie dennoch nicht zielführend. Es steht außer Frage, dass öffentliche Mittel zielgerichtet verwendet werden. Eine planlose Aufrüstung, nur um der Aufrüstung willen, wäre die falsche Vorgehensweise. Allerdings wäre die Fokussierung auf einen konkreten Angreifer bei der Streitkräfteentwicklung genauso der falsche Ansatz.

Eine moderne Streitkräfteentwicklung basiert auf einem praktischen Ansatz: Wie werden heute bewaffnete Konflikte ausgetragen? Welche Waffensysteme und Strategien werden wie und für welchen Zweck eingesetzt? Zur Verdeutlichung ein praktischer Vergleich: Das Bundesheer verfolgt hier einen ähnlichen Ansatz wie Polizei oder Feuerwehr. Letztere entwickelt Löschfahrzeuge und Systeme, um brennende E-Autos zu löschen. Sie entwickelt aber kein "Tesla-Löschfahrzeug". Polizeikräfte analysieren, wie Kriminelle in Häuser einbrechen und im Internet Identitäten fälschen. Sie konzentrieren sich aber nicht ausschließlich auf eine bestimmte Bande.

Ähnliches gilt für die Streitkräfteentwicklung. Es geht nicht darum, wer uns heute oder morgen konkret angreift, sondern wie und womit heutzutage Konflikte ausgetragen werden. Darüber hinaus gilt es auch zu analysieren, welche Systeme gerade entwickelt und sehr wahrscheinlich in den kommenden Jahren verwendet werden. Würde man sich nur auf einen konkreten, aktuellen Gegner konzentrieren, wäre es, als würde die Feuerwehr nur auf den letzten Einsatz oder die Polizei auf den letzten Einbruch schauen. Jedem ist klar, dass das langfristig nicht zielführend, ja geradezu gefährlich ist.

Darüber hinaus darf auch die zeitliche Komponente nicht unterschätzt werden. Ausrichtung, Ausbildung und Beschaffung neuer Waffensysteme erfordern zumindest zehn Jahre. Entscheidungen, die heute für oder gegen eine Waffengattung oder ein bestimmtes System getroffen werden, zeigen ihren Effekt erst in zehn Jahren. Die internationale Lage kann sich aber schnell ändern. Wer hätte sich erwartet, dass der IS im Sommer 2014 innerhalb weniger Tage und Wochen große Gebiete des Irak und Syriens unter seine militärische Kontrolle bringen könnte. Streitkräfte müssen heute so entwickelt werden, dass sie sich flexibel an sich ändernde Bedingungen anpassen und auch noch im Jahr 2030 und darüber hinaus der Sicherheitsgarant Österreichs sein können.

Also, wozu ein Bundesheer? Das Bundesheer muss sich vor allem am Charakter der derzeitigen und absehbaren Konfliktführung ausrichten. Das umfasst ein breites Spektrum. Ein Blick über unsere Grenzen hinaus zeigt, dass Konflikte heute immer noch mit Kugeln und Granaten ausgetragen werden und Menschen weiterhin durch Schusswaffen in militärischen Konflikten sterben. Gleichzeitig können aber auch Cyberangriffe ganze Gesellschaften lahmlegen. Das Bundesheer muss sich daher auf unterschiedliche Aufgaben vorbereiten. Ein ausschließliches Ausrichten auf Cyberangriffe wäre genauso wenig zielführend wie eines auf konventionelle Schlachten.