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Die Stunde der Wahrheit naht

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Die nächste Wirtschaftskrise kommt bestimmt - und sie wird besonders schwierig zu bekämpfen sein.


Es gibt in der Welt der Wirtschaft relativ wenig, worauf absolut Verlass ist - aber dass es früher oder später wieder einmal einen veritablen Crash und eine damit verbundene Rezession geben wird, das ist gewiss. Und zwar, weil der ewige Wechsel zwischen "Boom" und "Bust" zu freien Märkten gehört wie Ebbe und Flut zum Atlantischen Ozean.

Was wir freilich nicht vorhersagen können, ist, wann es kracht. Fakt ist, dass die bis heute, wenn auch schon ziemlich kraftlos, anhaltende Phase des Aufschwunges bereits außergewöhnlich lange dauert. Was nahelegt, dass der nächste Crash eher früher als später auf dem Spielplan stehen wird.

Wesentlich beunruhigender ist jedoch, dass die wichtigsten Zentralbanken der Welt dem nächsten Wirtschaftsabschwung so hilflos gegenüberstehen werden wie noch nie in der Wirtschaftsgeschichte. Denn anders als früher liegt der Leitzins fast überall um den Wert Null herum, nur in den USA gibt es noch minimale Zinsen, sonst praktisch nirgend mehr. Das ist für Sparer, die solcherart enteignet werden, ungemütlich. Noch ungemütlicher ist freilich, dass die Notenbanken deshalb bei der nächsten Rezession nicht machen können, was sie bisher immer getan haben: nämlich die Zinsen massiv senken und damit die Nachfrage nach Krediten und in der Folge nach Gütern stimulieren und damit Wirtschaftswachstum generieren. Eine Kur, die nicht funktionieren kann, wenn die Zinsen ohnehin schon bei oder gar unter Null sind, weil die Menschen sonst ins Bargeld flüchten. Damit steht etwa die Europäische Zentralbank (EZB) ziemlich hilflos da, wenn das nächste Mal eine Rezession losbricht. Sie hat ihr Pulver sozusagen schon verschossen.

Zu befürchten ist freilich, dass die Notenbanken in diesem Falle zu "unorthodoxen Methoden" greifen werden, wie sie das gerne nennen. Immer öfter diskutiert wird in der Fachwelt etwa der Einsatz von "Helikoptergeld", also frisch gedrucktem Geld, das die jeweilige Zentralbank direkt an die Bürger verschenkt. Das könnte zwar tatsächlich kurzfristig zu Konsum und damit Wachstum führen, würde aber gleichzeitig den Wert des Geldes entsprechend vermindern und im Wege eines Inflationsschocks die Menschen verarmen lassen, Pensionsvorsorgen entwerten und letztlich die Grundlagen unseres Wohlstandes zerstören wie in den 1920ern. Politische Folgen inklusive.

Eine andere Möglichkeit, gegen die nächste Rezession anzugehen, ohne Zinsen senken zu können, sind natürlich massive Erhöhungen von Steuern und/oder Staatsschulden. Beides kann kurzfristig Abhilfe schaffen, erzeugt aber langfristig mehr Probleme, als es zu lösen im Stande ist.

Einen schmerzfreien Weg, die nächste Rezession zu heilen, wird es diesmal nicht geben. Seit dem großen Crash von 2008 wurden die fundamentalen Ursachen der wirtschaftlichen Verwerfungen nicht gelöst, sondern bloß mit enormen Mengen frisch gedruckten Geldes zugekleistert und mit noch immer mehr Schulden verdeckt. Die Stunde der Wahrheit lässt sich solcherart hinausschieben - aber verhindern wird sie sich nicht lassen.