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Die Aktiensteuer trifft nicht die Falschen

Von Oliver Picek

Gastkommentare
Oliver Picek ist Senior Economist des Momentum Instituts, einer Denkfabrik in Wien. Er hat Volkswirtschaftslehre in Wien, Paris und New York studiert. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind (Europäische) Makroökonomie, unter anderem Leistungsbilanzungleichgewichte in der Eurozone, sowie die nationalstaatlichen Grenzen von Geld-, Fiskal-, und Beschäftigungspolitik innerhalb der Europäischen Währungsunion.
© Momentum Institut/Pertramer

Mit der Finanztransaktionssteuer hat die anvisierte Aktiensteuer wenig zu tun. Sie macht aus Fairnessgründen aber trotzdem Sinn.


Nach jahrelangem Warten wäre es fast so weit mit der Finanztransaktionssteuer. Natürlich: Die Kritik daran fällt von links bis rechts, von Attac bis hin zu Börsenvertretern, vernichtend aus. Denn alle hätten sich weit mehr erwartet. Der nach einer deutsch-französischen Einigung auf europäischer Ebene mögliche Kompromiss hat die Abgabe zu einer reinen Steuer auf Aktienkäufe degradiert. Kanzler Sebastian Kurz hat sich anlässlich seines Besuchs in Berlin bereits dagegen positioniert. "Wir werden jedenfalls alles tun, um das zu verhindern", zitierten ihn deutsche Medien.

Es ist zu befürchten, dass sich Kurz durchsetzt: Die europäische Mehrheit bei diesem Thema steht auf wackeligen Füßen. Das ist schade, denn auch die anvisierte Aktiensteuer erfüllt eine ähnliche Funktion wie die Finanztransaktionssteuer, wenn auch in geringerem Ausmaß. Natürlich wird der jetzige Vorschlag wenig dazu beitragen, exzessive destabilisierende Spekulation einzudämmen. Ungeachtet der hohen Erwartungen spricht jedoch einiges dafür, die Steuer einmal für sich zu betrachten: Für häufige Käufer von Aktien, die auf kurzfristige Kursgewinne spekulieren, wird die Steuer (leicht) ins Gewicht fallen. Wer Aktien langfristig als stabiler Anteilseigner von Unternehmen hält, muss hingegen nur einmalig einen verschwindend geringen Betrag bezahlen. Bei einem vorgeschlagenen Steuersatz von 0,2 Prozent zahlt ein Käufer eines 5.000-Euro-Aktienpakets
10 Euro Steuer. Zum Vergleich: Eine österreichische Großbank verlangt für so eine Transaktion allein 21 Euro an Spesen für die Auftragsausführung.

Schließlich sollten wir die zusätzlichen Einnahmen des Staates nicht vergessen: Alleine am gestrigen Tag gingen dem Staat 140.000 Euro verloren, weil es die jetzt vorgeschlagene Aktiensteuer noch nicht gibt. Sie würde zwischen 30 und 50 Millionen Euro an Einnahmen pro Jahr an den Fiskus liefern. Keine gewaltige Summe, aber eben das sprichwörtliche Kleinvieh, das auch Mist macht. Verwendet man die Steuer, um von der (Finanz-)Globalisierung ordentlich durchgerüttelten Menschen konkret zu helfen, hat sie umso mehr Berechtigung.

Ein aktuelles Gutachten des Instituts für Weltwirtschaft im Auftrag des deutschen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) kommt zu dem Schluss, dass ein Großteil der Steuer von ausländischen professionellen Investoren bezahlt werden würde. Ähnliches kann man auch für Österreich annehmen, zwei Drittel des Streubesitzes der Wiener Börse werden von ausländischen institutionellen Investoren gehalten. Aber selbst unter den viel zitierten Kleinanlegern trifft es kaum die Falschen: Denn Aktien halten fast ausschließlich der obere Mittelstand und Vermögende. In Zeiten stagnierender Reallöhne und sinkender Lohnquoten, dafür sprudelnder Unternehmensgewinne und Dividenden ist es dabei nur gerecht, auch von Anlegern einen kleinen Beitrag zu fordern. Die Aktiensteuer kann dabei nicht der letzte, aber der erste Schritt einer stärkeren Besteuerung von Finanzkapital sein. Wenn sie jetzt nicht in der europäischen Kompromissvariante kommt, sind entsprechende Initiativen für die nächsten zwanzig Jahre gestorben.