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Reformmotor oder Bremsklotz?

Von Karoline Mitterer

Gastkommentare

Ende 2021 steht ein neuer Finanzausgleich an. Er spielt auch eine wichtige Rolle für das Regierungsprogramm. Es braucht schon jetzt einen Fahrplan für die geplanten großen Reformen.


Viele Reformthemen des türkis-grünen Regierungsprogramms können nur in Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeinden umgesetzt werden. Dies betrifft etwa Klimaschutz, Verkehr, Bildung, Wohnbereich, Pflege oder Gesundheit. Ein wichtiges Koordinierungsinstrument ist hierbei der Finanzausgleich. Doch wie hängt er mit dem Regierungsprogramm zusammen?

Der Föderalismus ist in Österreich fest verankert. Viele Aufgaben werden gemeinschaftlich von Bund, Ländern und Gemeinden erbracht. Um ein Reformthema voranzubringen, müssen daher alle drei Ebenen eingebunden werden. Geht es doch schließlich darum, wer welche Aufgaben erledigt und wie diese finanziert werden. Das Ergebnis sind oft komplexe Aufgaben- und Finanzierungsverflechtungen, die mühsam - meist im Rahmen des Finanzausgleichs - ausverhandelt werden.

Alle vier bis sechs Jahre kehren die Verhandlungen zum Finanzausgleichsgesetz wieder (zuletzt FAG 2017). Hierbei geht es vorwiegend um die Aufteilung des großen Steuertopfes auf Bund, Länder und Gemeinden. Im Zuge des Paktums zum Finanzausgleich werden aber auch aktuelle politische Fragestellungen diskutiert und gelöst, wie Kinderbetreuung, Ganztagsschulen oder Pflegefinanzierung.

Die aktuelle Finanzausgleichsperiode läuft mit Ende 2021 aus. Danach muss ein neuer Finanzausgleich stehen. Unter der Annahme, dass der Termin hält, bleiben nun zwei Jahre Zeit, um zentrale Reformthemen mit Ländern und Gemeinden auszuverhandeln, die Reformkonzepte zu konkretisieren und mit dem Finanzausgleich zu verknüpfen. Im Zentrum der Verhandlungen stünde dann die Finanzierung von Klimaschutz, öffentlichem Verkehr, Bildung und Pflege.

Klimaziel, öffentlicher Verkehr und Bildungsbereich

Eine wichtige Innovation des Regierungsprogramms ist die geplante Integration der Verfolgung des Klimaziels im Finanzausgleich. Dies klingt erst einmal recht einfach. Die tatsächliche Umsetzung wird jedoch herausfordernd sein. Die Steuerung im jetzigen Finanzausgleich weist einige massive Mängel auf. Insbesondere fehlt eine ausreichende Verknüpfung von Aufgaben und Finanzierungsströmen. Eine bewusste Zielsteuerung fehlt weitgehend. Im Regierungsprogramm ist deshalb auch eine zielorientierte Gestaltung des Finanzausgleichs vorgesehen. Dies ist jedenfalls zu begrüßen. Es wird jedoch nicht von einem Tag auf den anderen gelingen, da hier grundsätzliche Steuerungsmechanismen des Finanzausgleichs verändert werden müssen. Grundsätzliche Zieldiskussionen sind auch in der Vergangenheit nicht geglückt und benötigen daher mehr Aufmerksamkeit.

Im Regierungsprogramm sind Zusatzmittel für den öffentlichen Personennahverkehr in beachtlichem Ausmaß vorgesehen, die im Rahmen des Finanzausgleichs ein Thema sein müssen. Zu nennen sind hier die Nahverkehrsmilliarde für Ballungsräume, die Regionalverkehrsmilliarde für den ländlichen Raum, das 1-2-3-Österreich-Ticket und die Fahrradoffensive. Die angestrebten Ergebnisse, die dafür erforderlichen Maßnahmen und deren Finanzierung sind bisher ungeklärt. Es muss auch erst vereinbart werden, welchen Ergebnis- und Kostenbeitrag die einzelnen Gebietskörperschaften hierzu tragen werden. Zusätzlich ist auszuverhandeln, wie die Mittel auf die einzelnen Länder und Gemeinden aufzuteilen sind.

In der Schweiz wurde hierzu der sogenannte Agglomerationsfonds eingerichtet, ein bundesweiter Fonds, der Investitionsprojekte für den öffentlichen Verkehr nach bestimmten Kriterien bewertet und finanziert. Was die höchste Wirksamkeit verspricht, wird zuerst und höher finanziert. Inwieweit eine solch differenzierte Mittelvergabe auch in Österreich gelingen kann, ist noch gänzlich offen. Die Erfahrungen der vergangenen Verhandlungen lassen dies eher nicht hoffen.

Ein wichtiges Diskussionsthema der nächsten Finanzausgleichsverhandlungen wird auch der Bildungsbereich sein. Zusätzliches Unterstützungspersonal, der Ausbau der Kinderbetreuung, der Ferienbetreuung und des Sommerunterrichts, die Fortführung des Ausbaus der Ganztagsschulen, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, Digitalisierung an Schulen: All das sind wichtige Maßnahmen, die zusätzliches Geld kosten.

Was beim vergangenen Finanzausgleich 2017 gescheitert ist, soll nun im Rahmen eines erneuten Pilotprojekts für den Schulbereich umgesetzt werden: die Aufgabenorientierung. Es sollen Zusatzmittel für Schulen mit besonderen Herausforderungen aufgestellt und Kriterien zur Verteilung auf vorerst 100 Pilotschulen erarbeitet werden. Auf Basis der Ergebnisse des Pilotprogramms soll dann eine bedarfsorientierte Mittelzuteilung über den Finanzausgleich geprüft werden.

Grundlegende Fragen der Finanzierung klären

Liest man das Regierungsprogramm, zeigt sich, dass die Konkretisierung vieler Reformthemen auf die Finanzausgleichsverhandlungen verschoben beziehungsweise mit diesen verknüpft wird. Dies betrifft nicht nur die oben angesprochenen Bereiche Öffis und Bildung, sondern auch andere wichtige Aufgabenbereiche wie Pflegefinanzierung, Wohnen oder Gesundheit. Hier gilt es für die umzusetzenden Reformen grundlegende Fragen der Finanzierung sowie die Kostenteilung auf Bund, Länder und Gemeinden zu klären. Auch die bisher nur schwer umsetzbaren Ziele "Kompetenzbereinigung" und "Zusammenführung von Finanzierung und Verantwortung" finden sich im türkis-grünen Regierungsprogramm und benötigen Umsetzungsschritte im Bereich Kompetenzzuteilung und Finanzausgleich.

Es braucht bereits jetzt einen Fahrplan für die Konkretisierung der genannten großen Reformen und deren Verknüpfung mit den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen, mit gemeinsam festgelegten Zielsetzungen und vordefinierten Zwischenetappen. Der Finanzausgleichsprozess sollte mit einem "Grundzügevertrag" der Verhandlungspartner starten. Bereits zu Beginn des Prozesses sollten die Zielsetzungen festgelegt werden, um die weiteren Reformschritte danach ausrichten zu können. Dass dies gelingen kann, hat die Schweiz im Rahmen ihrer Finanzausgleichs- und Föderalismusreform vorgezeigt.

Zu klären sind jedenfalls steuerungsbezogene Fragestellungen. Innovativ wären die geplanten gebietskörperschaftsübergreifenden Wirkungsziele, die auch den Klimaschutz umfassen. Damit verbunden wäre die stärkere Verknüpfung von Aufgaben und Finanzmitteln voranzutreiben. Dies ermöglicht auch eine objektivere Diskussion über eine "gerechte" Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie zwischen Ländern und zwischen Gemeinden.

Verbesserung der föderalistischen Kooperation

Das Gelingen der angeführten Reformbereiche und der Finanzausgleichsverhandlungen wird davon abhängen, wie gut die Verhandlungspartner Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten. Bei den vergangenen Verhandlungen scheiterten Reformen an unzureichenden Governance-Strukturen und -Prozessen. So bestehen Mängel im Verhandlungsdesign (etwa bei der Moderation) oder beim Interessenausgleich. Generell ist das Vertrauen zwischen den Partnern verbesserungswürdig.

Es braucht daher mehr Fokus auf Governance, um bestehende Blockaden zu verringern und mehr Vertrauen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufzubauen. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die Gesprächskultur, die in den vergangenen Jahren gelitten hat, wieder besser wird. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Verbesserung des Bildungssystems oder die langfristige Sicherung der Pflegefinanzierung werden Anstrengungen aller drei Gebietskörperschaftsebenen benötigen. Gelingt dies nicht im Rahmen eines funktionierenden, konstruktiven und kooperativen Föderalismus, könnten die ambitionierten Projekte des Regierungsprogramms hinsichtlich Umsetzung und Wirkung zum Scheitern verurteilt sein. Von dieser Neuausrichtung der Kooperation wird abhängen, ob der Finanzausgleich schlussendlich doch Bremsklotz oder Reformmotor ist.