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Eine Fusion ist vor allem eine Kulturfrage

Von Peter Lehner

Gastkommentare

In der neuen gemeinsamen Sozialversicherung, der SVS, sollen Sachbearbeiter zu Kundenbetreuern werden.


Es galt lange als unmöglich oder als undenkbar. Zu verschieden seien die Strukturen, die Denke und die Herangehensweise. Der erste Anlauf vor bald 20 Jahren ist gescheitert. Heute ist es Realität: Aus SVA und SVB wurde eine gemeinsame Sozialversicherung, die SVS. Die Fusion war dabei nicht nur eine technische Frage. Für die Zusammenlegung unterschiedlicher Systeme und Büros, Prozesse und der IT bedarf es "nur" eines perfekten Managements. Eine Fusion ist auch eine emotionale Sache, eine Kulturfrage. Für eine erfolgreiche Fusion braucht es den Willen von allen Seiten, das gegenseitige Vertrauen und die Vision vom gemeinsamen Ziel. Wenn einst die vielen Details zu der großen, unüberwindbaren Hürde wurden, so war heute der klare Fokus auf das große Ganze das Erfolgsrezept.

So wurden mit der Reform und der Reorganisation das wichtige Element der berufsständischen, sich selbst verwaltenden Sozialversicherung gewahrt und gleichzeitig jene Bereiche zusammengelegt, die gemeinsam mehr Sinn machen. Mit der SVS werden nun alle drei Versicherungszweige - Gesundheit, Unfall und Pension - aus einer Hand abgedeckt. Die berufsständische Selbstverwaltung kann auf die Bedürfnisse der Versicherten, ihrer Kunden, punktgenau eingehen und hat gleichzeitig eine moderne, effiziente Verwaltung. Die Reform ist das Fundament für ein neues, zukunftstaugliches und nachhaltiges System, das wir in den kommenden Jahren richtungsweisend weiterentwickeln werden.

Die zwei Pacemaker im öffentlichen Gesundheitsbereich sind die Veränderungen in der Gesellschaft und der technologische Fortschritt. Wir haben die Aufgabe und die Verantwortung, den Ansprüchen gerecht zu werden und die Möglichkeiten zu nutzen. Die alternde Bevölkerung, die steigende Anzahl der neuen Selbständigen und Einpersonenunternehmen sowie die Verbindung von landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben stehen exemplarisch für die großen gesellschaftlichen Veränderungen, die uns erwarten. Parallel dazu wachsen die Ansprüche der Kunden. Sie erwarten im öffentlichen oder im medizinischen Bereich die gleichen Kundenerlebnisse, wie sie es als Endkonsument von Netflix, Spotify oder Booking.com gewohnt sind.

Ein Paradigmenwechsel

Gleichzeitig und damit Hand in Hand geht der rasante technologische Fortschritt: Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Diagnostik, Blockchain schafft Sicherheit vor Manipulation und Fälschung, neue Therapien werden dank neuer Technologien entwickelt. Krankheiten können durch die Verfügbarkeit von immer größer werdenden Datenmengen genauer analysiert, bestimmt und behandelt werden.

Die Medizin wird künftig viel stärker individualisiert sein - sowohl in Richtung Gendermedizin als auch nach dem biologischen und nicht dem tatsächlichen Alter ausgerichtet. Die Digitalisierung ist, wie einst die Erfindung von Penicillin oder die Entdeckung der Röntgenstrahlen, der Gamechanger in der Medizin. Vieles, das gestern noch undenkbar war, wird morgen möglich und übermorgen selbstverständlich sein. Daran müssen wir unser System anpassen. Daten können Leben retten - dies nicht zu nutzen, wäre fahrlässig und unverantwortlich.

Die Weiterentwicklung und die Transformation zu einer ganzheitlichen Plattform ist unser Ziel für morgen. Wir bauen an einem neuen Zuhause für die soziale Sicherheit. Mit einem Kundenerlebnis und einer Usability, die der Kunde von Consumer-Plattformen gewohnt ist: Der Versicherte kann darauf vertrauen, dass er alles, was seine soziale Sicherheit betrifft, hier bekommt. Mit der 360-Grad-Kundensicht werden maßgeschneiderte und individuelle Services Realität. Es wird möglich, Partner miteinzubeziehen und damit neue Dienstleistungen anzubieten. Das Angebot wird (all)umfassend. Die Plattform steht damit für einen Paradigmenwechsel.

Die Organisationsstruktur in der SVS selbst wird dank größtmöglicher Automatisierung eine menschenorientierte Unternehmenskultur realisieren. Die Mitarbeiter werden von jenen Aufgaben entlastet, die der Computer übernehmen kann, und so werden sie freigespielt, um sich um ihre Kunden intensiv kümmern zu können. Aus Sachbearbeitern werden Kundenbetreuer. An dieser Stelle braucht es den nächsten Kulturwandel, denn es macht in der täglichen Arbeit einen großen Unterschied, ob man Akten abarbeitet oder mit Kunden direkt in Kontakt steht.

Das verändert die Aufgabengebiete, das Mindset und die Herangehensweise. Diesen Weg müssen und möchten wir mit unseren Mitarbeitern gehen, um ein ganz persönliches und individuelles Service zu ermöglichen. Das Ziel der Reform, der Reorganisation und der Transformation ist ein Mehrwert für die Versicherten.