Zum Hauptinhalt springen

Was Österreich und die USA zusammenhält

Von Martin Weiss

Gastkommentare

1947 wurde eine Art "Marshallplan für den Geist" begründet, das heutige "Salzburg Global Seminar".


Dieser Tage wird oft und gerne vom "transatlantischen Verhältnis" gesprochen. Von seiner wirtschaftlichen und geopolitischen Bedeutung für unsere beiden Kontinente, zuletzt auch immer häufiger mit Sorgenfalten auf der Stirn - von einem Verhältnis in der Krise. Was verbirgt sich aber hinter diesem doch recht vagen Begriff? In Wahrheit eine Vielfalt wechselseitiger Beziehungen - denn Europa und die USA werden von zahlreichen "Klammern" zusammengehalten.

Eine dieser Klammern ist die Wirtschaft, die USA sind nach wie vor das bei weitem bedeutendste Exportziel europäischer Waren. Die EU ist der größte Investor in den USA, die USA wiederum sind der größte Investor in der EU. Im militärischen Bereich ist die Nato als Bindeglied konkurrenzlos - sie ist nicht mehr und nicht weniger als das bedeutendste Militärbündnis der Welt.

Wie steht es nun um die Klammern, die Österreich und die USA aneinander binden? Davon gibt es über Politik, Kunst und Wissenschaft viele, manche davon sind bekannter - wie zum Beispiel das seit 1950 bestehende Fulbright-Studien-Programm, mit Hilfe dessen Tausende von Österreicherinnen und Österreichern in den USA studiert haben und vice versa -, manche sind hingegen kaum bekannt. Eine dieser weniger bekannten Klammern ist das "Salzburg Global Seminar", eine Einrichtung, die seit dem Jahr 1947 besteht, und auf deren "Board of Directors" auch der jeweilige österreichische Botschafter in den USA vertreten ist.

Die Geschichte des "Salzburg Global Seminars"

Der österreichische Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, das "ökonomische Wunder" der Nachkriegszeit, ist untrennbar mit dem Marshallplan verbunden. Dieser wurde im April 1948 vom US-Kongress verabschiedet und legte einen wichtigen Grundstein für die kommende Prosperität des Nachkriegs-Österreich.

Aber, und das wissen nur wenige, schon ein Jahr zuvor kam es zur Gründung einer Organisation, welche die österreichische Nachkriegszeit bis heute intellektuell begleitet hat - eine Art "Marshallplan für den Geist" (so die Idee der Gründer). Das "Salzburg Seminar in American Studies" (wie es zu Beginn noch hieß) war ein idealistisches Projekt, das von drei Studenten der Harvard Universität ins Leben gerufen wurde: Clemens Heller, Richard Campbell und Scott Elledge.

Was als intellektuelles Wiederaufbauprojekt begann, wurde über die Jahre zu einem internationalen Vorzeigeprojekt, einer Denkfabrik und einem Meilenstein der österreichisch-amerikanischen Beziehungen. Das "Salzburg Global Seminar" von heute beschäftigt sich vorrangig mit sechs zeitgenössischen Themenkomplexen: dem Klimaschutz und der Gesundheitsvorsorge; den Menschenrechten und der Gesellschaft; der Finanzindustrie und Regierungsarbeit; dem Bereich Bildung und Arbeit; der Zukunft der Medien sowie der Kunst und Kultur. Seit 1947 haben 37.000 Teilnehmer aus 170 Ländern an Programmen des "Salzburg Global Seminars" teilgenommen; darunter Nobelpreisträger, Unternehmer, Politiker und Studenten aus aller Welt.

Wie "wirkt" nun das "Salzburg Global Seminar" auf seine Teilnehmer? Kristalina Georgieva, heute die Chefin des Weltwährungsfonds, hat es einmal so formuliert: "Salzburg Global hat mich geformt, hat mich inspiriert, hat mir den Horizont geöffnet. Es bestärkt mich jedesmal wieder, dass es eine bessere Version der jetzigen Welt gibt."

Gästeliste von Kofi Annan bis Hillary Clinton

In einem schnelllebigen Medienzeitalter von Twitter und Co. ist der Wettkampf darum, relevant zu bleiben, intensiv. Das gilt natürlich auch für das "Salzburg Global Seminar". Die Antwort, die Salzburg auf diesen Wettbewerb der Ideen und Standorte gibt, ist klar: Salzburg setzt auf höchste Qualität gepaart mit einem generationenübergreifenden Ansatz - junge Menschen erarbeiten hier Lösungen gemeinsam mit "internationalen Kalibern".

Die Liste großer Persönlichkeiten, die in Salzburg so ihren Beitrag geleistet haben, ist lang: Zu ihnen zählten etwa der UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan, die Ex-First-Lady, Außenministerin und US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton oder Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Und, und, und. Ort des Geschehens war seit Anbeginn Schloss Leopoldskron in Salzburg. Dessen bewegte Geschichte berührte schon von allem Anfang an das Verhältnis Österreichs zu den USA: Denn Salzburgs Fürsterzbischof Leopold Anton Eleutherius von Firmian gab den Prachtbau im Jahre 1736 in Auftrag, just nachdem er an die 22.000 Protestanten aus Salzburg vertrieben hatte. Eine kleine Gruppe jener vertriebenen Protestanten fand an den Ufern des heutigen US-Bundesstaates Georgia, nahe Savannah, eine neue Heimat - sie waren die ersten dokumentierten österreichischen Einwanderer in den USA.

Es kam in der langen Geschichte des Schlosses zu zahlreichen Besitzerwechseln, bis es schließlich im Jahre 1918 von der Theaterlegende und dem Mitbegründer der Salzburger Festspiele, Max Reinhard, erworben wurde. Reinhard verwendete die Räumlichkeiten nicht nur für seine Theaterproduktionen, sondern auch für Zusammenkünfte von Intellektuellen und Künstlern aus aller Welt. Die Machtergreifung der Nazis und der drohende Zweite Weltkrieg bereiteten all dem ein - vorübergehendes - Ende. Reinhard floh vor dem sich ausbreitenden Antisemitismus in die USA und fand eine neue Wirkungsstätte in Hollywood. Er erlebte das Ende des Krieges nicht mehr und verstarb 1943 in New York.

Nach dem Krieg wurde das von den Nazis konfiszierte Schloss an den Nachlass Reinhards zurückgegeben - dessen Witwe, Helene Thimig, bot es ihrerseits 1946 als Austragungsort für das "Salzburg Global Seminar in American Studies" an. Im Jahre 1959 schließlich erwarb das "Salzburg Global Seminar" das Schloss. Und, wie sagt man so schön: the rest is history!