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Eine Chance für evidenzbasierte Politik

Von Michael Obrovsky

Gastkommentare
© Elisabeth Bolius

Wenn Evaluierung als Chance für Lernen begriffen wird, dann hat die Bundesregierung jetzt die Möglichkeit, den Kernbereich der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit auf solidere Beine zu stellen.


Alle vier bis fünf Jahre prüft das Development Assistance Committee (DAC) der OECD die Entwicklungspolitik der Mitgliedsländer und formuliert Empfehlungen zur Verbesserung der politischen Umsetzung der gesamten Entwicklungszusammenarbeit. Neben strategischen Defiziten monierte das DAC unter anderem bei der Präsentation des jüngsten Prüfberichts am 27. Februar, dass Österreich seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkomme, und empfahl einen Plan zur Erreichung des Ziels (0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens) sowie einen Aktionsplan, um politische Inkohärenzen anzusprechen. Beide Empfehlungen sind nicht neu, sondern werden seit Jahren regelmäßig wiederholt.

Entwicklungsagentur am Rand ihrer Leistungsgrenze

Anfang Februar wurde bereits eine Evaluierung der Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) - des entwicklungspolitisch gestaltbareren Kernbereichs von Außenministerium und Austrian Development Agency (ADA) vorgelegt. Die Evaluierung geht auf das türkis-blaue Regierungsprogramm für 2017 bis 2022 zurück, in dem das Bekenntnis zu einer effizienten Entwicklungszusammenarbeit mit einer "Überprüfung der strategischen Ausrichtung" auf institutioneller Ebene untermauert wurde. Da die Diskrepanz zwischen sinkender Finanzierung und steigenden Anforderungen in den vergangenen zehn Jahren dramatisch zugenommen hat, resümieren die Autoren, dass ohne adäquate Finanzierung und Personalausstattung sowohl das Außenministeriums keine Strategien formulieren als auch die ADA diese nicht effizient umsetzen können.

Beide Evaluierungen diagnostizieren ein substanzielles Defizit bei der finanziellen Ausstattung der OEZA. Während das DAC an der Zusammensetzung der Official Development Assistance (ODA) Österreichs vor allem den geringen Anteil für die entwicklungspolitisch gestaltbaren Programme und Projekte kritisiert, sehen die Autoren der ADA-Evaluierung die ADA am Rand ihrer Leistungsgrenze. Weitere starke Ähnlichkeiten bei den Empfehlungen resultieren aus der Analyse der strategischen Steuerung durch das Außenamt.

In der ADA-Evaluierung wird - bedingt durch das Rotationsprinzip der Diplomaten und das Fehlen einschlägiger Experten - ein ständiger Wissensverlust bemängelt, der die Formulierung strategischer Vorgaben auf Basis langjähriger Expertise behindert. Das DAC empfiehlt ein stärkeres Mandat für das Außenministerium, um eine gesamtstaatliche Vision einer OEZA inklusive Zielsetzungen, Indikatoren und Zeitplänen mit Verknüpfungen zu Budgets und politischen Prioritäten zu formulieren.

Evaluierungsergebnisse ernst nehmen

In der ADA-Evaluierung wird großes Potenzial in der Erhöhung der Kohärenz der OEZA mit anderen Politikfeldern gesehen: "Um eine einheitliche ODA sicherzustellen, fehlen die Räume und Prozesse zum Ausverhandeln der Zielsetzungen unterschiedlicher Ressorts, die einen starken Einfluss auf die Erreichung der EZA-Ziele haben." Auch beim DAC werden von Österreich konkrete strukturelle Maßnahmen gefordert, um Politikkohärenz für eine globale nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Das bedeutet konkret, Maßnahmen in allen entwicklungspolitisch relevanten Politikfeldern zur Erreichung der Ziele zu fördern.

Die Empfehlungen der Evaluierungen richten sich in erster Linie an die Bundesregierung, die mit dem Budget für die Umsetzung einer effizienten Entwicklungszusammenarbeit sowohl im Außenamt als auch in der ADA fördern kann. Beim Budget 2020 kann gezeigt werden, dass Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit nicht nur eine Verpflichtung der gesamten Bundesregierung ist, sondern dass die Ergebnisse internationaler Evaluierungen der OEZA ernst genommen werden.

Eine Langfassung des Textes lesen Sie hier.