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Die hohle Phrase von der "Hilfe vor Ort"

Von Florian Hamader

Gastkommentare
Florian Hamader studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien mit Fokus auf Strategie, Geopolitik und Geoeconomics.
© privat

Dem Krieg in Syrien und damit dem grundlegenden Problem schenkt die EU nach wie vor keine Aufmerksamkeit.


Die Bilder kommen einem bekannt vor: Wie schon 2015 streben Flüchtlinge, getrieben durch den Krieg in Syrien, nach Europa. Wie schon 2015 wird die Europäische Union vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan überrumpelt. Und wie schon 2015 hat die Politik keine Antwort. Nach wie vor besteht aufgrund der Untätigkeit Europas eine Abhängigkeit von der Türkei. "Hilfe vor Ort" ist zu einer hohlen Phrase verkommen. Es gibt keine Schutzzone, man hat die Flüchtlinge - wie auch die Türkei - nach dem Abflauen der damaligen Fluchtbewegung schlichtweg sich selbst überlassen.

Aus den europäischen Hauptstädten kommen dieselben Mahnungen, die schon lange niemanden mehr interessieren und bestenfalls Europas Mangel an Selbstbehauptungswillen unterstreichen. Die simple "Lösung" damals wie heute lautet: Grenzen dicht. Dem Krieg in Syrien und damit dem grundlegenden Problem schenkt man nach wie vor keine Aufmerksamkeit. Grundwerte, Ideale und die oft bemühte internationale Ordnung hat man den Launen der Autokraten preisgegeben.

Die EU erinnert an einen Phlegmatiker, unfähig, sich auch nur zur kleinsten Interessensbehauptung aufzuraffen. Die Politik agiert, als ob der Rest der Welt nicht existieren würde. Doch kann man sich nicht einfach freikaufen von den Problemen, indem man Erdogan oder der libyschen Küstenwache etwas Geld zusteckt.

Im Zuge der damaligen Fluchtbewegung wurden rechte Parteien in die Parlamente gespült, Parteien der Mitte sind nach rechts gerückt. Ein externer Krisenherd hat also die politische Landschaft in Europa fundamental verändert. Dritte können über das Instrument militärischer Eskalation Fluchtbewegungen wieder anheizen und so direkten Einfluss auf die EU-Politik nehmen. Hier darf man nicht tatenlos zusehen, schließlich werden nationale Sicherheit und Souveränität berührt. Gerade Mitte-links-Parteien sollten hier mehr als Moral anzubieten haben, allein schon aus Eigeninteresse.

Wir müssen das Militär wieder als Teil politischer Handlungsoptionen verstehen. Es kann dazu dienen, die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten, den Einsatz von Giftgas durch Diktatoren zu unterbinden, deren Möglichkeit zur Kriegsführung zu limitieren und damit die Zivilbevölkerung vor Angriffen auf Krankenhäuser und Schulen zu schützen - wenn, ja wenn man den politischen Willen dafür aufbringen kann. Die gegenwärtige Debatte um die Eurofighter bietet eine Gelegenheit zur strategischen Neuausrichtung der Verteidigungspolitik. Airbus verkündet einen Stellenabbau, der vor allem Deutschland betreffen wird; es werden Nachfolger für die Tornados gesucht, und sowohl Finnland als auch die Schweiz suchen ebenfalls neues Gerät. Wenn man jetzt geschickt verhandelt, statt zu poltern, und sich etwaigen Beschaffungen anschließt, könnte man dieses Kapitel möglicherweise doch noch zu einem guten Ende bringen. Die Politik bekäme ihre Handlungsfähigkeit in der militärischen Domäne wieder und hätte bei künftigen Krisen mehr als bedeutungslose Tweets anzubieten.