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Wie uns Corona verändern könnte

Von Karl Aiginger

Gastkommentare

Die Krise wirft neue Fragen auf. Unsere Gesellschaft hat das Potenzial, eine bessere zu werden.


Rätseln wir nicht, wie lange die Wirtschaftskrise dauern könnte. Der Einbruch wird steil sein, in Italien dramatisch, aber weltweit wird sie kürzer sein als die Finanzkrise. Aus der wir auch gelernt haben. Wir haben Rettungsfonds, Eigenkapitalreserven, breitere Kompetenz der Zentralbanken. Nein, noch keine Steuer auf Spekulationen, Altstar Emmanuel Macron will weiter nur Aktien verteuern. Die rasche Reaktion von Fiskal- und Geldpolitik lehnte damals die Hälfte der Ökonomen ab, weil das zur Inflation führt, heute kann gebuttert werden ohne deren Meinung.

Die Krise wirft neue Fragen auf. Als Optimist glaube ich, dass sie unsere Gesellschaft zum Besseren verändert. Aber beginnen wir mit den Gefahren. Ungarns Premier Viktor Orban wird sie für eine Diktatur nutzen, US-Präsident Donald Trump beschuldigt die Chinesen, die Mullahs vielleicht Israel oder die USA. Protektionisten werden verlangen, dass Grenzen auch später geschlossen bleiben, Militaristen Aufrüstung und Waffen. Die braune Industrie und die Atomlobby suggerieren, man solle mit dem Klima-Blödsinn aufhören, weil das unnötig und zu teuer sei.

Solidarität mit den Mitmenschen

Europa sollte eine Führungsrolle übernehmen. Die Globalisierung wird weitergehen, zu viel wollen wir herumreisen, billige oder auch innovative Güter haben. Die Entwicklungsländer brauchen weniger Armut und mehr Lebenschancen. Nicht jede Arbeitsteilung ist sinnvoll; das kann nur beurteilt werden, wenn Schiffe, Flugzeuge und Lkw mehr Steuer oder Maut zahlen. Wir werden lernen, bei Medikamenten und wichtigen Vorleistungen mindestens zwei Zulieferer zu haben.

Reserven sind Pflicht, diesmal nicht nur für Öl, auch für Schutzmasken, Medizinen, Atemgeräte. Da bekommt die EU eine neue Aufgabe, die Lager können in jedem Land kleiner sein, wenn jeder ein kleines Lager hat und dann zu Beistand verpflichtet ist, statt Grenzen zu schließen, Bei Krankheiten muss es Isolierungskonzepte geben. Auf Flughäfen sollten Tests möglich sein, nicht nur Gesichtsscans.

Die Solidarität in der Gesellschaft wird größer. Der Wert kleiner Gruppen, von Nachbarn zeigt sich. Niemand ahnte, wie selbstlos heute geholfen wird. Jeder Opa, jede Oma bekommt fünf Angebote, einkaufen zu gehen. Das kann auch in besseren Zeiten Kosten durch Pflege ersetzen.

Wir sehen, was via Internet möglich ist, nicht nur fünf Stunden WhatsApp lesen. Papa kann auch neben Kindern zu Hause arbeiten. Rush-Hours lassen sich vermeiden, was zwei Stunden am Tag erspart. Der Pendlerverkehr wird halbiert. Emissionen fallen weg, das Leben wird billiger.

Die Millennials übernehmen die Steuerung

Die politische Abstinenz der Generation der sogenannten Millennials endet durch Corona. Sie waren schon die tragende Gruppe in der Wirtschaft. Die Generation Z ist früher aufgewacht, geweckt von Greta Thunberg und Fridays for Future, weil absehbar ist, dass in 40 Jahren der Planet Sprünge hat: Es wird bald keinen Schnee mehr in den Alpen geben, Überschwemmung an den Küsten, Katastrophen überall. Mehrheitsfähig ist der Grüne Deal aber nur mit den Millennials. Diese erklären jetzt den Älteren, wie man digital einkaufen und den Computer nutzen kann. Damit endet die Führungsrolle der älteren Generation.

In der Krise erkennen wir, welche Politiker in den USA, in Großbritannien, Polen und Ungarn jede Krise nutzen, um die Demokratie auszuschalten. Wir sehen auch, wie Asien mit seiner staatlich gelenkten Zielen und privater Umsetzung erfolgreich ist. Aber der Ruf nach Neo-Dirigismus statt Neoliberalismus in Europa ist trotzdem falsch, weil der Staat bei uns verbeamtet, langsam und egoistisch ist. Militärspitäler werden zwar nicht geschlossen, aber sie stehen auch nicht für Krisenbetten zur Verfügung.

Neue Konzepte mit besseren Anreizen, aber ohne Dirigismus sind nötig und durch die Digitalisierung und die Millennials möglich. Dann hätten in dieser Krise neue Techniken und Verhaltensweisen alte Mythen zerstört, wie es das Konzept der schöpferischen Zerstörung des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter beschreibt.•