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Alles anders nach dem Ende der Krise?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Eines wird sich mit Sicherheit ändern müssen, und das ist die Europäische Union.


Der israelische Wissenschafter und Bestsellerautor Yuval Harari meint: "Der Sturm wird vorübergehen, die Menschheit wird überleben, aber wir werden in einer anderen Welt leben." Er sieht zwei fundamentale Herausforderungen auf uns zukommen, die sich heute noch als Optionen darstellen. Die Option zwischen Gesellschaften mit "ermächtigten", selbstverantwortlichen Bürgern oder mit totaler staatlicher Überwachung einerseits und die Option zwischen nationalstaatlicher Isolierung oder globaler (und europäischer) Solidarität andererseits.

Tatsächlich bieten moderne Technologien und Methoden, wie Gesichtserkennung, algorithmierte Datenanalyse und biometrische Sensoren (etwa Armbänder) die Möglichkeit, Puls, Körpertemperatur und andere Indikatoren zu messen. Regierungen könnten den ängstlichen, um ihre Gesundheit besorgten Bürger dazu bringen oder zwingen, sensible Daten zur Verfügung zu stellen als Basis umfassender staatlicher Kontrolle.

Aber auch im wirtschaftlichen Bereich wird sich nach Überwindung der Krise die ordnungspolitische Frage nach unternehmerischer Freiheit versus staatlicher Abhängigkeit stellen, wird doch ein Großteil der mittelständischen Unternehmen in der einen oder anderen Form am staatlichen Tropf hängen und damit zumindest potenziell staatlicher Einflussnahme ausgesetzt sein, außer eine im Sinne von Harari "ermächtigte" Bürgerschaft steht dem entgegen. Sollte dann noch angesichts rasant gestiegener Staatsschulden der wichtige Filter der Finanzmärkte bei der staatlichen Kreditaufnahme wegfallen, ist der Weg zur kaum beschränkten staatlichen Übermacht vorgezeichnet. Wer sollte die Unabhängigkeit der Zentralbank in einer Welt garantieren, in der sie die einzige Kreditquelle für die Staatsfinanzierung ist?

Der im Zuge der aktuellen Gesundheits- und Wirtschaftskrise verbreiteten Forderung nach Rückbau der Globalisierung liegt der gefährliche Trugschluss zu Grunde, dass dann unsere Sicherheit am größten wäre, wenn wir in Österreich eine Autarkiepolitik verfolgten und etwa alle benötigten Nahrungsmittel, medizintechnischen und pharmazeutischen Produkte, die Bekleidung etc. selbst herstellten. Erstens wäre das nur zu wesentlich höheren Preisen und oft niedrigerer Qualität möglich, zweitens würde das unsere Exportmöglichkeiten massiv reduzieren und Arbeitsplätze kosten, und drittens würde eine solche Politik, weltweit durchgesetzt, den wirtschaftlich schwachen Ländern ihre Entwicklungschancen zerstören mit unabsehbaren politischen Konsequenzen. Vor allem aber ist ein breit gestreutes Einzugsgebiet für Importe grundsätzlich der beste Garant für Versorgungssicherheit.

Eines wird sich nach der Corona-Krise allerdings mit Sicherheit ändern müssen, und das ist die Europäische Union. Nach dem jämmerlichen Schauspiel, das die Mitgliedstaaten der EU, die ja selbst kaum Kompetenzen hat, in den vergangenen Tagen bei der Krisenbekämpfung geboten haben, gibt es keine plausible Alternative zum weiteren Ausbau und der Stärkung des europäischen Integrationswerks - durchaus im Sinne des Subsidiaritätskonzepts.