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Der EU fehlt ein Krisenfonds für akute Fälle

Von Margit Schratzenstaller

Gastkommentare
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Im Vergleich zu den Krisenpaketen der Mitgliedsländer bietet das EU-Budget nur bescheidene Mittel.


Die Corona-Krise hat der seit langem geführten Debatte, ob das EU-Budget flexibel genug und in einem ausreichenden Ausmaß auf unvorhersehbare Krisen reagieren kann, einen neuen Schub verliehen. Die im Bedarfsfall zur Verfügung stehenden Mittel sind derzeit begrenzt.

Auch die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Ausweitung der Flexibilisierungsinstrumente im nächsten Finanzrahmen 2021-2027 würde nur eine begrenzte Mittelausweitung ermöglichen. Das Krisenpaket der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Corona-Krise illustriert den begrenzten Handlungsspielraum, das EU-Budget für unvorhergesehene Krisen einzusetzen. Die "Investitionsinitiative zur Bewältigung der Corona-Krise" wird mit 37 Milliarden Euro ausgestattet, die allerdings kein "frisches Geld" darstellen. Vielmehr werden nicht verwendete sowie noch nicht zugewiesene Strukturfondsmittel umgelenkt.

Außerdem wird der Anwendungsbereich des Europäischen Solidaritätsfonds erweitert, sodass die verfügbaren Mittel von 800 Millionen Euro für 2020 nicht nur im Fall von Naturkatastrophen, sondern auch für Gesundheitskrisen an betroffene Mitgliedsländer ausgeschüttet werden können. Weitere 179 Millionen Euro können aus dem Europäischen Globalisierungsfonds für die Unterstützung krisenbedingt Arbeitsloser verwendet werden. Im Vergleich zu den Krisenpaketen der Mitgliedsländer - 38 Milliarden Euro Österreich oder 756 Milliarden Euro Deutschland - bietet somit das EU-Budget nur bescheidene Mittel.

Was derzeit im EU-Finanzrahmen fehlt, ist ein separater Krisenfonds für akute Krisenfälle, der unabhängig von den regulären Ausgabenprogrammen mit bedeutenden Ressourcen ausgestattet ist. Solch ein Krisenfonds könnte durch indirekte Effekte von regional begrenzten Krisen auf weitere EU-Länder legitimiert werden. Er wäre auch hilfreich bei solchen Krisen, in denen ein EU-weit koordiniertes Vorgehen effektiver ist als rein nationale Maßnahmen: wie etwa Flüchtlingsbewegungen, Finanzkrisen oder Pandemien.

Zwei Ausgestaltungsoptionen wären denkbar. Entweder wird der Krisenfonds im Vorhinein mit einem gewissen substanziellen Budget ausgestattet, das beim Auftreten klar definierter Krisen verwendet werden kann. Er würde dann im Rahmen des EU-Finanzrahmens budgetiert und aus den EU-Eigenmitteln finanziert. Oder es wird vorab kein spezifiziertes Budget festgelegt, sondern der Krisenfonds wird im Krisenfall aktiviert und die erforderlichen Finanzmittel werden zusätzlich aufgebracht. Hierzu könnten entweder europäische Anleihen ausgegeben werden, oder es könnten zusätzliche Eigenmittel ausgeschöpft werden.

Hierzu würden sich vor allem solche Eigenmittel eignen, die zu wichtigen EU-Zielen und -Strategien beitragen könnten, etwa Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten oder einem CO2-Grenzausgleichssystem. Jedenfalls sollten die Krisen der letzten Jahre deutlich gemacht haben, dass die budgetäre Handlungsfähigkeit der EU in Krisenzeiten derzeit unzureichend ist. Ein Krisenfonds könnte sie stärken.

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