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Wirtschaftspolitische Quarantäne

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Corona-Notprogramme müssen von Erste-Hilfe-Leistungen zu einem Startpaket für zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen mutieren.


"Koste es, was es wolle." Das ist die Strategie der österreichischen Bundesregierung zur Bewältigung des Corona-Ausnahmezustandes. Mit einem Volumen von rund 10 Prozent des jährlichen BIP wird ein budgetärer Kraftakt gestartet, der vor einem Monat noch völlig undenkbar war. Österreich steht mit der Dimension dieses Hilfspakets nicht allein. Bis zu den USA werden ähnlich große Pakete zur Krisenbewältigung geschnürt.

Die Notwendigkeit solcher finanzieller Erste-Hilfe-Leistungen ist offensichtlich. Aber trotz einer großzügigen Kurzarbeitsregelung erhöhte sich allein in den ersten zwei Wochen der Ausgangsbeschränkungen die Zahl der Arbeitslosen um ein Drittel. Mehr als eine halbe Million Personen sind als arbeitslos registriert. Nicht nur für viele prekäre Arbeitsverhältnisse wird die Chance für eine weitere Beschäftigung aussichtslos. Trotz Krisenfonds, Notfallhilfe, Steuerstundungen, Garantien und Haftungen könnte die Dauer der Krise viele Unternehmungen in eine aussichtslose Situation bringen.

Behauptungen, die Post-Corona-Welt wird wieder zur alten Normalität zurückkehren, erweisen sich als extrem naiv. Denn neben dem Coronavirus haben sich noch andere Pandemien ausgebreitet. Die seit 2008 nicht bewältigte Finanzkrise, weil die unbeschränkte finanzielle Liquidität durch die Notenbanken nicht ausreichend zu zukunftsfähigen Investitionen geführt hat. Dann als eine Art von Kollateralschaden die damit verbundene Klimakrise. Deshalb wäre gerade jetzt eine andere Frage zielführender: Wie könnten die Corona-Notprogramme von Erste-Hilfe-Leistungen zu einem Startpaket für zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen mutieren?

Drei hilfreiche Orientierungen: Erstens, mehr Resilienz im Sinne von Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen bei Supply-Chains bis zur Cyber-Kriminalität erreichen. Zweitens, durch zielorientierte Innovationen bei Prozessen, Produkten und Dienstleistungen die Wettbewerbsfähigkeit im In- und Ausland verbessern. Drittens, die Herausforderungen des von der EU-Kommission vorgeschlagenen European Green Deal akzeptieren, wie den Übergang zu einer kreislauforientierten Wirtschaft mit Klimaneutralität. Wie könnte sich eine solche Orientierung in einer Wirtschaftspolitik zu Corona-Zeiten finden? Ein erster Vorschlag wäre, die bisherigen Corona-Hilfen mit einem Bonus-Programm zu koppeln: Zu den bisher in der österreichischen Hilfe vorgesehenen finanziellen Unterstützungen bekommen alle Anspruchsberechtigten einen Bonus von etwa zusätzlichen 20 Prozent, wenn sie zu den drei oben formulierten Zielen innerhalb von sechs Monaten unterstützende Aktivitäten vorweisen. Diese könnten von einer Verbesserung der Qualifikation der Mitarbeiter bis zu Änderungen in den Businessplänen reichen. Von den Interessensvertretungen bis zu den Universitäten könnten dafür Innovationspakete angeboten werden.

Das bisher beschlossene Corona-Hilfsprogramm ist notwendig, aber - nicht nur beim finanziellen Volumen - nicht ausreichend. Bloß mit Parolen, wie "Koste es, was es wolle", würde sich die Regierung eine wirtschaftspolitische Quarantäne verordnen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.