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Der Wiederaufbau nach der Krise

Von Kurt Bayer

Gastkommentare

Österreich bräuchte zwei neue Instrumente: eine Gesellschaft des Bundes für nachhaltige Unternehmensbeteiligungen und eine Österreichische Bank für nachhaltigen Wiederaufbau.


Die Corona-Krise und die wirtschaftlichen Maßnahmen zu ihrer Bewältigung stoßen die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession. So rechnen die offiziellen internationalen Prognoseinstitutionen mit einer globalen Stagnation (nach etwa durchschnittlich 4 Prozent Wachstum pro Jahr), die OECD rechnet mit minus 2 Prozent für jeden Monat Stillstand, die Welthandelsorganisation meint, dass Arbeitslosigkeit und Produktionseinbruch gravierender als bei der Krise 2008 sein werden. Einige private Institute rechnen mit BIP-Rückgängen bis zu 20 Prozent für die Quartale des "Lockdown". Das Wifo rechnet bei einer kurzfristigen Krise mit einem optimistischen BIP-Rückgang von 2,5 Prozent für 2020, das IHS mit minus 2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt weltweit enorm an (bereits mehr als 500.000 Arbeitslose in Österreich), ebenso wie die Budgetdefizite (minus 5 Prozent in Österreich). Je länger die Krise und der "Lockdown" der Wirtschaft dauern, desto gravierender werden die kurz- und mittelfristigen Folgen sein. Es verfestigen sich Strukturen, der Wiederaufstieg wird schwieriger, langsamer und weniger steil.

Hilfen betragen 8 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung

Die Regierungen haben alle signifikante Hilfspakete für Wirtschaft und Arbeitsmarkt verabschiedet. Weltweit gab es Ende März Zusagen von etwa 7 Billionen US-Dollar, etwa 8 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. In der EU liegt dieser Anteil niedriger, in Österreich sind es ebenfalls 8 Prozent. Allerdings sind viele der angekündigten Maßnahmen von unterschiedlicher Qualität und Budgetwirksamkeit. Direkte Zuschüsse wirken rasch und stark, Steuerstundungen erhöhen die Liquidität, Haftungen und Garantien für Kredite ermöglichen den Zugang von Unternehmen zu Krediten und werden erst budgetwirksam, wenn die Unternehmen sie nicht zurückzahlen können. Daher sind die genannten absoluten und Prozentzahlen mit Vorsicht zu interpretieren.

Bei den derzeitigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen geht es darum, zuvorderst einen durch das Schließen vieler Unternehmen verursachten Angebotsschock zu kompensieren. In zweiter Linie, und nicht weniger wichtig, geht es um den Ausgleich von Nachfrageschwächen durch die Einkommensverluste von Arbeitnehmern und Unternehmen (Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Stornierung von Aufträgen). Wenn aber Unternehmen nicht produzieren, hilft auch zusätzliche Nachfrage nichts. Längerfristiger Stillstand schafft also zusätzliche, ganz gravierende Probleme.

Die Politik kümmert sich bisher um die Schadensbegrenzung der Krise und denkt noch nicht an den folgenden Wiederaufbau. So tragisch die Wirtschaftskrise sich auf Haushalte und Unternehmen auswirken wird, kann sie auch eine Chance bieten, nach Beendigung der Krise die Wirtschaft neu aufzustellen, sie also viel rascher und stärker in Richtung soziale und ökologische Nachhaltigkeit auszurichten. Wie bereits jetzt viele Restriktionen sowohl in der Geld- als auch der Fiskalpolitik zur Bekämpfung der Corona-Krise aufgegeben wurden - was noch vor Monaten für undenkbar gehalten wurde -, sollte dieses "window of opportunity" auch von Österreichs Bundesregierung dazu genutzt werden, die vielfach bremsenden und interessengeleiteten Macht- und Wirtschaftsverhältnisse aufzubrechen und eine an der Wohlfahrt der Menschen, der Arbeitnehmer und der Schonung der Umwelt- und Klimaressourcen ausgerichtete Wirtschaft und Gesellschaft ("inklusiv und nachhaltig") in Gang zu setzen.

Beteiligungen des Bundesan Unternehmen in Not

Im Gegensatz zu anderen Ländern (wie Deutschland) hat Österreich in seinem Paket nur Kredite und Zuschüsse, aber keine Beteiligungen des Bundes an Unternehmen, die Hilfe brauchen, vorgesehen. Diese könnten aber, vor allem bei größeren Unternehmen oder solchen, die lebenswichtige Technologien besitzen, sinnvoll sein, da sie im Gegensatz zu Krediten deren Schuldenstand nicht erhöhen, aber verhindern würden, dass Schnäppchenjäger krisenbedingt billig gewordene Unternehmen aufkaufen. Der deutsche Wirtschaftsstabilisierungsfonds hat dafür 100 Milliarden Euro vorgesehen - in Relation wäre das in Österreich ein Fonds von etwa 10 Milliarden Euro.

In Österreich gibt es einen Vorläufer einer solchen Gesellschaft, die Gesellschaft des Bundes für Industriebeteiligungen (GBI), die notleidende Unternehmen aufgekauft, saniert und weiterverkauft hat. Eine neue Gesellschaft des Bundes für nachhaltige Unternehmensbeteiligungen (ÖGBUN) könnte als Sanierungsinstrument innerhalb der Österreichischen Beteiligungs-AG (ÖBAG), innerhalb der für die Finanzkrise gebildeten Abbaugesellschaft oder auch als Tochter des Infrastrukturministeriums angesiedelt werden und statt Garantien Beteiligungen an durch Corona in Not geratene Unternehmen eingehen.

Diese Konstruktion hätte den Vorteil, dass - etwa im Gegensatz zu den Bankenrettungen der Krise ab 2008 - die österreichischen Steuerzahler auch am Wiederverkauf der Beteiligungen/Unternehmen profitieren könnten. Noch wichtiger aber wäre die Chance, die Unternehmensbeteiligungen für einen Umbau der heimischen Wirtschaft zu nutzen. Sinnvoll wäre es, diese ÖGBUN dahingehend auszurichten, die Unternehmensstrategien der Beteiligungsunternehmen in Richtung künftiger Innovationen, Inklusion und Nachhaltigkeit auszurichten, also an die Erreichung der Pariser Klimaziele sowie an höhere Corporate Social Responsibility (Gewinnverwendung, Transparenz, Anti-Korruption und Steuerpflicht) und Arbeitsplatzqualität (Bezahlung, Arbeitsbedingungen, Diversität) zu knüpfen.

Investitionsbank im öffentlichen Eigentum

Für den Wiederaufbau der heimischen Wirtschaft wäre zusätzlich die Gründung einer Investitionsbank im öffentlichen Eigentum hilfreich. Zwar zielen die im 38-Milliarden-Euro-Paket enthaltenen Garantien des Hilfsfonds unter anderem darauf ab, den Banken Risiken abzunehmen, damit sie leichter und billiger Unternehmen Kredite gewähren, doch erste Erfahrungen zeigen (wie schon bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise), dass die Risikobereitschaft der Banken trotz Lockerungen der Aufsichtsbehörden und weiterer Liquiditätshilfen weiterhin gering ist und die Kreditvergabe stottert.

Da durch die Corona-Krise auch eine Zunahme der nicht einbringlichen Kredite zu erwarten ist, die mit Kapital zu unterlegen sind, braucht es andere als der Kommerzbanken-Regulierung unterliegende Institutionen, um den notwendigen Kreditfluss zum (nachhaltigen) Wiederaufbau zu schaffen. Deshalb braucht es eine Bank im öffentlichen Eigentum, deren positives Kapitalmarkt-Ranking durch die 100-prozentige öffentliche Garantie erreicht werden kann (in etwa dem Modell der Europäischen Investitionsbank entsprechend).

Sozial-ökologischen Wiederaufbau sicherstellen

Eine solche Bank könnte (ähnlich der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau) die nötige Finanzierung für einen sozial-ökologischen Wiederaufbau sicherstellen. Anders als etwa die Kontrollbank (im Eigentum der österreichischen Geschäftsbanken, aber mit einem Haftungsrahmen der Bundesregierung von 50 Milliarden Euro versehen) oder die frühere Investitionskredit AG, die diesen Auftrag hatte, könnte eine direkt im öffentlichen Eigentum stehende Österreichische Bank für nachhaltigen Wiederaufbau (ÖBNW) die Kommerzbanken ihre Risikoscheue überwinden lassen.

Diese Bank könnte auch dazu dienen, Investitionen in öffentliche Güter (Gesundheitssystem, öffentlicher Verkehr, Umweltbelange) zu finanzieren. Sie sollte inhaltlich jedenfalls eng mit der ÖGBUN zusammenarbeiten. Beide hätten dieselbe Mission: Die ÖGBUN würde Unternehmensbeteiligungen in Art einer Private-Equity-Gesellschaft verwalten und gestalten, jedoch mit dem inhaltlichen Ziel der Umstrukturierung in die richtige Richtung; die ÖBNW würde jene Unternehmen fremdfinanzieren, die aufgrund zu hoch eingeschätzten Risikos von den Geschäftsbanken keine oder nur zu teure Kredite bekämen, und die in der Corona-Krise stärker als auch für die Öffentlichkeit als notwendig erkannten öffentlichen Güter finanzieren.