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Was Auferstehung bedeutet

Von Ulrich H.J. Körtner

Gastkommentare
Ulrich H. J. Körtner ist Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
© Hans Hochstöger

Christen vertrauen nicht auf das Leben, sondern auf Gott, seinen Schöpfer.


"Ostern? Unser Blick fällt mehr auf das Sterben als auf den Tod. Wie wir mit dem Sterben fertig werden, ist uns wichtiger, als wie wir den Tod besiegen. Sokrates überwand das Sterben, Christus überwand den Tod. (. . .) Mit dem Sterben fertig werden bedeutet noch nicht mit dem Tod fertig werden. Die Überwindung des Sterbens ist im Bereich menschlicher Möglichkeiten, die Überwindung des Todes heißt Auferstehung. Nicht von der Ars Moriendi, sondern von der Auferstehung Christi her kann ein neuer, reinigender Wind in die gegenwärtige Welt wehen."

Diese Sätze schrieb Dietrich Bonhoeffer, der vor 75 Jahren, am 9. April 1945, im KZ Flossenbürg von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Welch ein Gewicht haben diese Worte im Unterschied zu jener trivialen Osterbotschaft, die nun wieder vielfach zu hören und zu lesen ist: Glauben heiße, dem Leben zu vertrauen, das stärker sei als der Tod. So versichert man uns in leicht erhöhtem religiösen Ton, dass das Leben irgendwie weitergehe. Um darauf zu hoffen, braucht man keinen gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn.

Christen vertrauen nicht auf das Leben, sondern auf Gott, seinen Schöpfer. Sie geben sich nicht damit zufrieden, dass das Leben weitergeht und immer wieder neues Leben entsteht. Sie hoffen auf ewiges Leben, nicht nur für sich persönlich, sondern auch für die, die schon gestorben sind und für die es in dieser Welt nichts mehr zu hoffen und nichts mehr zu verlieren gibt, weil sie mit dem Tod bereits alles, wirklich alles verloren haben.

Das Leben ist nicht mit Gott zu verwechseln. Gott ist auch kein anderes Wort für die Biosphäre oder für die Natur im Ganzen. Das Wort "Gott" verweist auf die Transzendenz, die in der platten Diesseitigkeit aus dem Blick gerät. "Das Leben" - dazu gehören auch Bakterien und Viren wie Sars-CoV-2. "Das Leben" ist ein Kreislauf aus Fressen und Gefressenwerden, der aber nichts mit Ostern zu tun hat.

Unsere Regierung macht in der Coronavirus-Pandemie bisher einen wirklich guten Job. Doch die Rede des Bundeskanzlers von der Wiederauferstehung unseres Alltags- und Wirtschaftslebens, wenn wir nur weiter durchhalten und auch zu Ostern die Ausgangsbeschränkungen einhalten, war ein zivilreligiöser Missgriff.

Der Kanzler mahnte uns, dass Menschen am Coronavirus sterben. Sein "Memento Mori" verfolgte den volkspädagogischen Zweck, dass wir uns regelkonform verhalten sollen. Wir sehen die schrecklichen Bilder der aufgereihten Särge aus Italien und Spanien. Aber die Toten hierzulande kommen in der Berichterstattung nur als kleine statistische Größe vor. Und die politisch erhoffte Wiederauferstehung ist schlussendlich doch nur die "neue" alte Normalität.

Im christlichen Sinne glauben heißt nicht, auf eine nationale und ökonomische Wiederauferstehung hinzuleben, sondern von der Auferstehung Christi her zu leben. Nochmals Bonhoeffer: "Von der Auferstehung her leben, das heißt doch Ostern." Die christliche Hoffnung gilt nicht nur den Hinterbliebenen, sondern den Toten selbst. An ihre Auferstehung glauben heißt, dem Tod die letzte Reverenz zu verweigern, um ihm um der Liebe willen keinen Raum in unserem Denken einzuräumen.