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Wir brauchen keine neuen Steuern - oder doch?

Von Konstantin M. Wacker

Gastkommentare
Konstantin M. Wacker ist Assistenzprofessor an der Universität Groningen (Niederlande). Seine Forschungen zu multinationalen Konzernen und deren internationalen Investitionsstrategien wurden in führenden internationalen Fachzeitschriften publiziert. Er unterrichtet regelmäßig in China.
© privat

Corona führt uns die sozialen Schieflagen unserer Gesellschaft vor Augen.


38 Milliarden Euro hat die Regierung an Sonderausgaben vorgesehen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Das sind etwa 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die Debatte, wer das zurückzahlen soll, ist voll entbrannt: Vizekanzler Werner Kogler brachte eine Erbschaftssteuer ins Spiel, und SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner grub in der Sozialdemokratie vergessen geglaubte Konzepte von Millionärs- und Finanztransaktionssteuern aus. Steuervermeidungspraktiken von Konzernen erhielten verstärkt Aufmerksamkeit, und Attac forderte mit prominenten Ökonomen einen Corona-Lastenausgleich durch einmalige Besteuerung der Reichsten.

Die schlichte volkswirtschaftliche Antwort auf die Frage der Schuldenrückzahlung lautet: Niemand braucht sie zurückzahlen. Österreichs Schuldenstand steigt durch die Corona-Konjunkturmaßnahmen von 70 auf 80 Prozent der potenziellen Wirtschaftsleistung, und das kann dann auch so bleiben. Dadurch erhöhte Schuldenrückzahlungen in der Zukunft werden durch die Ausgabe neuer Schuldscheine refinanziert. Das ist im Prinzip kostenfrei, denn das reichste
1 Prozent der Weltbevölkerung weiß ohnehin nicht wohin mit seinem Geld. Nachdem Banken mittlerweile Strafzinsen verrechnen und sich Millionensummen in Bargeld auch nicht kostenlos halten lassen, parken sie ihre liquiden Vermögen lieber in deutsche oder österreichische Staatsanleihen, ohne dafür nennenswerte Zinsen zu verlangen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.

Keine Zinsen auf die staatliche Neuverschuldung zu zahlen, heißt aus volkswirtschaftlicher Sicht, dass wir dem Finanzminister zutrauen, dass er mit den öffentlichen Ausgaben unterm Strich keinen Gewinn macht. Aber auch keinen Verlust. Angesichts des großen Potenzials, das in Österreichs Volkswirtschaft schlummert und von dem in der Krise viel brachliegt, sollte das machbar sein.

Gerade Corona führt uns aber auch die sozialen Schieflagen unserer Gesellschaft vor Augen. Wer jetzt in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen das eigene Leben riskiert, war wohl nie auf Dienstreise in China. Wer sich hinter der Supermarktkasse ansteckt und das Virus zur Familie heimbringt, war mit dieser vermutlich noch nie auf Skiurlaub in Ischgl. Für die meisten der hunderttausenden Beschäftigten, die nun ihren Job verloren haben und mit 55 Prozent ihres ohnehin niedrigen Einkommens auskommen müssen, spielen Beschränkungen von Auslandsreisen keine Rolle. Und aus Geldscheinen lassen sich auch in der schönsten Dachgeschoßwohnung keine Atemschutzmasken basteln. Dass diese fehlen, liegt unter anderem daran, dass es sich schlicht nicht mehr lohnt, als Näherin zu arbeiten.

Steuern auf Vermögen, hohe Einkommen und Konzerngewinne sind nicht nur ein Mittel, um ein Budgetdefizit zu schließen. Sie steuern auch und können den gewachsenen sozialen Schieflagen in unserer Gesellschaft entgegenwirken. Dazu sind sie ein sehr wichtiges Mittel, aber nur eines. Unter dem Strich vielleicht ein relativ bequemes.