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Konturen einer Weltpädagogik

Von Karl Pangerl

Gastkommentare
Karl Pangerl ist BHS-Lehrer in Oberösterreich.
© privat

Eine Anknüpfung an Michael Gehlers Beitrag zur Vision eines Weltstaats.


Im "extra" vom 18. April fragte Michael Gehler, ob ein Weltstaat die Lösung in der Corona-Krise sein könnte. Der Weg zur Weltgemeinschaft braucht das Bekenntnis der Kulturen, Völker und Nationen, einander Gemeinschaft sein zu wollen. Und sie bedarf einer Weltpädagogik als Plattform der Begegnung wie als Kosmos gemeinsamen Lernens, Werdens und Gestaltens, die den Einzelnen zur gestaltenden Teilhabe an der Gemeinschaft emanzipiert.

Ethik aus der Universalität des Lebens: Einem Universum, in dem alles mit allem verwoben ist, wird die Trennung in belebte und unbelebte Welt nicht länger gerecht. Diesem Wechselwirken entspringt das Bewusstsein der Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und der Verantwortung für alles Sein in und um uns.

Freiheit in Unvollkommenheit: Mit dem Eintritt in die Zeit wird das Ewige erst denkbar. Erkennendes und tätiges Leben eröffnet die Möglichkeit der Selbstreflexion des Unendlichen in all seinen Möglichkeiten, Wundern und Mysterien. "Ich weiß, dass ich nichts weiß" - diese Einsicht Sokrates’ eröffnet jeden Tag die Chance für neues Staunen und Fragen. Im forschenden Suchen wird der Mensch zum sozialen Prozess.

Kulturelle Bildung als Schule der Verletzlichkeit: Dem Menschen immanent ist die Sehnsucht nach dem Bleibenden im Vergänglichen. Es gilt, Schmerz und Endlichkeit anzunehmen als jenen Kontrast, der Glück umso dankbarer erleben lässt. Kulturerbe ist Spiegel dieses Ringens um Hoffnung im Widerstreit von Licht und Schatten. Über Grenzen hinweg verbindet es Menschen und Kulturen in ihrer Unvollkommenheit und Sehnsucht.

Soziales Lernen und politische Bildung: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", beschenkt mit Talenten, aber auch mit Schwächen. So wie es Verantwortung der Gemeinschaft ist, den Einzelnen in seinen Stärken zu entfalten, ist es diesem ein moralisches Bedürfnis, seine Potenziale in gelingende Gemeinschaft einzubringen. Demokratie als Synthese von Freiheit und Liebe.

Horizonterweiterung durch Sprachen: "Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt", so Ludwig Wittgenstein. Sprachen sind aber auch Heimat, Identität. Jede eröffnet Horizonte, indem sie einlädt einzutauchen in andere Welten, andere Menschen und in einen selbst bis an die Grenze des Unaussprechlichen. Es gibt keine Fremdsprachen - jede Sprache offenbart verborgene Seiten der Welt und an einem selbst im Spiegel der anderen.

Wirtschaftskunde und subsidiäre Globalisierung: "Collere", das Bebauen des Bodens, macht deutlich, dass der Mensch als Kulturwesen der Natur verbunden bleibt. Indem er den Boden bewirtschaftet, veredelt er diesen und sich selbst durch Arbeit. Wirtschaft ist also die Kunst, einen Naturraum in seiner besonderen Eigenart in einen Kulturraum zu verwandeln; und sie ist Nährboden menschlicher Identitätsstiftung in friedlich-schöpferischem Tun. Globalisierung in Form subsidiärer Marktwirtschaft erfährt sich als Inspiration und Bereicherung.

Projektorientiertes Gestalten in interaktiver Vernetzung: Gemeinschaft in Freiheit bedarf des Vertrauens. Der Grad an Vertrauen bestimmt die Qualität des Miteinander. Der Respekt des Staates vor Selbstbestimmung und Eigenverantwortung prägt sein Verhältnis zum Bürger. Niemand hat das Recht, einen Menschen zu fragmentieren, nach seinem Bild zusammenzusetzen, zu vereinnahmen und zu manipulieren. Die Freiheit der Digitalisierung bedarf der autonomen digitalen Persönlichkeit. Die erst dann mögliche Lebendigkeit interaktiver Vernetzung und die Freude an gemeinsamen Projekten werden Gradmesser sein für die Qualität der Weltgemeinschaft.