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Der Dauerstreit um das Welterbe

Von Christian Schuhböck

Gastkommentare

Unesco vs. Stadt Wien: In Sachen "Historisches Zentrum" ist nun das Höchstgericht am Zug.


Im Jahr 2001 erklärte die Unesco das "Historische Zentrum von Wien" zum Welterbe der Menschheit. Folgende drei Kriterien waren hiefür ausschlaggebend:

die städtebaulichen und architektonischen Qualitäten als überragende Zeugnisse eines fortwährenden Wandels von Werten während des zweiten Jahrtausends;

die Darstellung von drei Hauptperioden europäischer Kultur und politischer Entwicklung (Mittelalter, Barock und Gründerzeit) in außergewöhnlicher Form;

die Stellung Wiens als musikalische Hauptstadt Europas seit dem 16. Jahrhundert.

Doch bereits 2002 drohte Wien wegen des Hochhausprojekts am Bahnhof Wien-Mitte die Aberkennung des Welterbestatus. Nach Protesten von Bürgerinitiativen wurde das umstrittene Projekt politisch abgesagt. Ein halbes Jahrzehnt später kam es zu einer neuerlichen Auseinandersetzung zwischen der damals rein roten Stadtregierung und der Unesco, diesmal wegen eines 100 Meter hohen Bauprojektes beim Hauptbahnhof, das vom Belvedere-Schlosspark aus zu sehen gewesen wäre. 2008 konnte das Welterbekomitee der Unesco eine Verringerung der Gebäudehöhe erreichen.

In der Roten Liste in einer Reihe mit Irak und Syrien

2017 überspannte dann die nun rot-grüne Stadtregierung den Bogen, indem sie trotz mehrmaliger Warnungen von Nichtregierungsorganisationen die Umwidmung des Areals Am Heumarkt im Zentrum Wiens zugunsten des geplanten Hochhauskomplexes "Hotel InterContinental - Wiener Eislaufverein - Heumarktgebäude" beschloss.

Die Unesco war brüskiert und setzte das "Historische Zentrum von Wien" auf die Rote Liste gefährdeter Welterbestätten, sodass die Republik Österreich seit Juli 2017 am Pranger der internationalen Staatengemeinschaft steht, in einer Reihe mit Ländern wie Afghanistan, Irak, Jemen, Libyen und Syrien.

Die Wiener Stadtregierung stellte jedoch der Investorin im Oktober 2018 einen Feststellungsbescheid aus, wonach für deren Hochhausprojekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei - obwohl es direkt in der Kernzone des "Historischen Zentrums von Wien" errichtet werden soll. Dagegen erhob die Umweltorganisation "Alliance For Nature" im November 2018 Beschwerde, wodurch das Feststellungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht landete, das im April 2019 festhielt, dass sehr wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig sei. Im Mai 2019 erhoben die Stadtregierung und die Investorin Revision dagegen, sodass das Verfahren mittlerweile beim Verwaltungsgerichtshof, der höchstgerichtlichen Instanz Österreichs, angelangt ist. Im Oktober 2019 teilte die EU-Kommission der Republik Österreich mit, sie teile die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts.

Schutz versprochen, aber Diskrepanzen bleiben

Österreich hat nun einen lange erwarteten Maßnahmenplan, den "Desired State of Conservation"-Report, an das Unesco-Welterbezentrum in Paris übermittelt. Darin wird nun detailliert auf die beanstandeten Punkte eingegangen und zugesichert, den Schutz des Welterbes rechtlich in Stadtplanungsinstrumenten zu verankern. Konkret heißt es hinsichtlich des Heumarkt-Projekts, es werde eine "welterbeverträgliche Lösung" angestrebt, angesichts der bereits bekannten Pläne scheinen sich jedoch Diskrepanzen aufzutun. Mit Blick auf das, was bisher von der Neugestaltung bekannt ist, haben Experten schon Mitte März Zweifel an der Welterbeverträglichkeit geäußert.

Bereits zu Jahresbeginn hat "Alliance For Nature" die Unesco über das Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegenüber der Republik Österreich informiert und an das Unesco-Welterbekomitee appelliert, das "Historische Zentrum von Wien" nicht von der Liste zu streichen, es aber auf der Roten Liste gefährdeter Welterbestätten zu belassen. Denn möglicherweise besteht das umstrittene Hochhausprojekt Am Heumarkt ohnedies nicht die Umweltverträglichkeitsprüfung. Ob es jedoch eine solche geben wird, darüber muss erst der Verwaltungsgerichtshof entscheiden.