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Österreich braucht einen Neustart mit neuer Solidarität

Von Pamela Rendi-Wagner

Gastkommentare
Pamela Rendi-Wagner ist Klubobfrau der SPÖ.

Die Mittelschicht muss steuerlich entlastet werden.


Das Coronavirus hat gezeigt, wie sehr wir einen starken Sozialstaat brauchen. Österreich steht heute vor einer Zeitenwende. Vor uns liegen immense Herausforderungen. Es braucht eine neue Solidarität. Die Corona-Krise zeigt uns, wie sehr wir auf die Gemeinschaft und den Sozialstaat angewiesen sind. Und sie zeigt, dass das neoliberale Konzept mit seinem Leitspruch "Weniger Staat, mehr privat" gescheitert ist.

Es ist Zeit für eine neue Solidarität. Dafür sind drei Punkte zentral: Wir müssen den Sozialstaat weiter ausbauen und stärken. Wir müssen Wachstum und Beschäftigung stärken. Und die Krisenkosten müssen fair verteilt werden.

Österreich hat die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. Über 571.000 Menschen sind derzeit arbeitslos. Für sie und für tausende Betriebe, Ein-Personen-Unternehmen, freie DienstnehmerInnen und KünstlerInnen hat die Corona-Krise dramatische Folgen. Ihnen wurde ihre Lebensgrundlage weggerissen. Sie stehen unverschuldet vor dem Nichts.

Um in einem ersten Schritt rasch einen Schutzschirm für die Betroffenen zu spannen, ist es notwendig, das Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent des Nettolohns zu erhöhen. Für Unternehmer mit kleinen Betrieben, die jetzt auf Hilfe angewiesen sind, muss der Vermögenszugriff in der Mindestsicherung ausgesetzt werden. Vor einigen Wochen hat die Bundesregierung noch gesagt: "Koste es, was es wolle." Ein Vergleich mit Deutschland zeigt, dass dort deutlich weniger Menschen arbeitslos wurden. Offenbar hat Österreichs Regierung zu spät gehandelt und zu Beginn des Shutdowns zu wenig Geld in die Hand genommen, das Ergebnis waren Massenkündigungen. "Koste es, was es wolle" muss endlich auch für arbeitslose Menschen und die tausenden Betriebe gelten, die bis jetzt noch keinen Cent der angekündigten Hilfsmittel gesehen haben. Diese Existenzen müssen gesichert werden.

Wir haben auch gesehen, wie abhängig Österreich vom globalen Wirtschaftsmarkt ist. Kein Mensch kann verstehen, warum wir monatelang auf Schutzmasken und andere medizinische Produkte aus China warten müssen. Diese Abhängigkeit macht uns verletzlich. Davon müssen wir uns befreien. Da braucht es mehr "Made in Austria". Mit staatlicher Unterstützung müssen wir Produktion zurück nach Österreich holen. Das kurbelt die Wirtschaft an, schafft Arbeitsplätze und macht uns unabhängiger in Krisenzeiten.

Die zentrale Frage ist, wer zahlt die Kosten dieser Krise? Diese Frage muss heute diskutiert werden, nicht erst in ein paar Jahren. Klar ist, dass alle ihren Beitrag leisten und die Krisenkosten gerecht verteilt werden müssen.

Breite Schultern sollten mehr Verantwortung tragen. Wir müssen heute dafür sorgen, dass auch Millionenvermögen und Online-Konzerne - die großen Profiteure dieser Krise - ihren Beitrag leisten. Es darf nicht sein, dass am Ende nur die viel beklatschten "Helden des Alltags" zahlen. Die Arbeitnehmer tragen schon jetzt rund 80 Prozent der gesamten Steuerverantwortung. Millionäre und milliardenschwere Onlinekonzerne müssen mehr beitragen. Die Mittelschicht muss steuerlich entlastet werden.

Wir brauchen eine neue Solidarität im Land, die uns Schutz vor Verwundbarkeit gibt und die einen Neustart in Österreich nach dieser Krise ermöglicht.