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Hilfe, das Virus frisst unser Geld!

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum wir demnächst mit steigenden Preisen für viele Produkte werden rechnen müssen.


Ein alteingesessener Wiener Fischhändler hat seit dem Ausbruch der Pandemie die schon bisher eher stattlichen Preise für seine Meerestiere um etwa 25 Prozent angehoben. Der bemerkenswerte Preisschub ist freilich nicht entfesselter Profitgier des Händlers geschuldet, sondern der "neuen Normalität". Weil die meisten Kühlketten kollabiert sind, muss der Händler etwa Muscheln aus der Nordsee per Botendienst UPS herbeischaffen - zu entsprechenden Kosten, die natürlich der Konsument zu tragen hat.

Zu glauben, dass dergleichen nicht schon demnächst zu einem unangenehmen Anstieg der Verbraucherpreise führen wird, erfordert ein hohes Maß an Optimismus. In Deutschland und in Italien etwa ist der Preis von Obst und Gemüse innerhalb eines Monats um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Kostensteigerungen wird es fast überall geben: bei Airlines, die enormen Aufwand für die Sicherheit werden treiben müssen und eventuell Sitze freihalten müssen; im Handel, der Personal für Desinfektion und Masken für die Kunden braucht; in der Gastronomie, die weniger Tische decken darf, ohne dass die Miete kleiner wird; im ganzen Kulturbetrieb, der viel weniger Tickets wird verkaufen können, um Abstandsregeln einhalten zu können - die Liste ist ad infinitum zu verlängern.

Dazu kommen aber auch noch ganz andere, ebenso erhebliche Kosten als indirekte Folgen der Seuche. Denn wenn jetzt Teile der industriellen Fertigung aus Asien wieder nach Europa zurückverlegt werden und Produkte aus "lokaler" Produktion bevorzugt werden, dann wird das ebenfalls die Preise treiben. Denn die gleiche Arbeit kostet in asiatischen Staaten eben noch immer deutlich weniger. Wird sie nach Europa transferiert, werden die entsprechenden Produkte teurer.

Jene Inflationswelle, die sich hier in bestimmten Bereichen abzeichnet, wird vor allem die sozial Schwächeren und den unteren Mittelstand schröpfen, die einen großen Teil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfes ausgeben. Und ob die Unternehmen, oft von der Corona-Krise ausgeblutet, die Löhne ausreichend werden erhöhen können, ist fraglich.

Dazu kommt, dass eine derartige Inflationswelle vor allem die kleinen Sparer sukzessive enteignet, die bei anhaltenden Nullzinsen und einer allfälligen Inflationsrate von drei oder vier Prozent schon ganz schön geschoren werden. Doch selbst bei Inflationsraten in dieser Größenordnung werden die Zinsen dank EZB nicht steigen - weil sonst jeder zweite Euro-Staat pleitegeht. Den Reichen hingegen kann das eher egal sein, weil deren Vermögen normalerweise aus Immobilien und Unternehmensanteilen besteht, die teurer werden. Freilich: Der niedrige Ölpreis, die maue Nachfrage von Arbeitslosen, Kurzarbeitern und anderen Krisenopfern und der damit verbundene Wettbewerb um die Kunden sowie ein verbreiterter ökonomischer Pessimismus dürften die Preise eher dämpfen. Ob das freilich ausreichen wird, um die Inflation im Zaum zu halten, ist eher ungewiss. Wer aber jetzt aus ideologischen Gründen trotzdem die Globalisierung abwracken will, der nimmt damit bewusst in Kauf, dass dadurch im Wege der Inflation die Armen ärmer werden und der Mittelstand ärmer wird.