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Kirchen im Bann von Corona

Von Rudolf K. Höfer

Gastkommentare
Rudolf K. Höfer ist ao. Univ.-Prof. i.R. für Kirchengeschichte an der Universität Graz.
© privat

Die Einnahmen aus den Kollekten sind völlig entfallen.


Mit der Erlaubnis der ersten Gottesdienste nach dem Versammlungsverbot seit 13. März ist zunächst die Zahl der Teilnehmer an religiösen Feiern noch durch die Größe des Kircheninnenraums beschränkt: Messbesucher müssen zwei Meter Sicherheitsabstand einhalten, auf je zehn Quadratmeter Fläche darf ein Teilnehmer kommen. Auch sind Versammlungen vor der Kirche zu vermeiden. In kleinen Landkirchen dürfen demnach zehn bis zwanzig Personen anwesend sein. Die Regeln gelten auch für Moscheen.

Derzeit ist nur die Handkommunion erlaubt, die seltene Kelchkommunion ist untersagt. Dies betrifft erheblich orthodoxe Kirchen, die aufs Eintauchen der Brotstückchen in den Wein verzichten müssen. Bringt die Gewöhnung an religiöse Feiern in Medien nach Corona nur noch wenige Menschen in die Kirchen? Alle Kirchen haben aufgrund der Erkenntnisse der Virologen und der politisch Verantwortlichen die verordneten Einschränkungen als "vernünftig und verantwortungsvoll" mitgetragen, was auch die Regierungsspitze anerkannt hat. Andererseits wollen die Religionsgemeinschaften die Beschränkungen mit Verantwortung und Augenmaß wieder schrittweise gelockert sehen. Mund-Nasen-Schutz ist dabei überall gefordert.

Das Versammlungsverbot hat für alle religiösen Gemeinschaften einen völligen Entfall von Kollekten gebracht. Nachdem sich bisher nahezu alle gesellschaftlichen Gruppierungen mit Forderungen an die Politik um Übernahme von Einnahmenausfall gemeldet haben, ist diese auch für die Religionsgemeinschaften ein Gebot der Stunde. Angesichts des Volumens der Zusagen für Arbeitslose und Kurzarbeiter, Kultur, Sport und Tourismus wäre für die Finanzierung der Religionsgemeinschaften aus dem von den Bürgern aufgebrachten Steueraufkommen nur noch ein marginaler Betrag von 250 Millionen Euro zusätzlich erforderlich, um wie bereits in Italien und weiteren Ländern Europas die Religionsgemeinschaften auf dem bisherigen Niveau mittels Steuerwidmung zu finanzieren. In Italien gilt für die Kirchen heuer das gewidmete Steueraufkommen von 2017; damit haben sie Zeit, sich auf die wegen Corona absehbar zurückgehenden Steuereinnahmen einzustellen.

In Österreich sind 1,8 Millionen Menschen in Kurzarbeit oder arbeitslos und haben jetzt ein verringertes oder gar kein Einkommen. Von ihnen Solidarität für eine Kirche zu fordern, klingt frivol. Sie vom Kirchenbeitrag zu befreien oder diesen zu senken, "muss im persönlichen Gespräch geregelt" werden, sagte Kardinal Christoph Schönborn jüngst in einer ORF-"Pressestunde". Das wäre ungeheuer aufwendig, auf einen Kirchenbeitragsangestellten kämen womöglich mehr als 2000 persönliche Gespräche zu. Vernünftig und kostensparend wäre die Finanzierung aller Religionsgemeinschaften mittels Steuerwidmung, weil diese dann zu- oder abnehmende Steuereinnahmen solidarisch mittragen müssten. Schönborns Aussage, "Gott sei Dank haben wir ein anderes System als Deutschland", wo die Kirchensteuer mit der Steuerleistung im Gleichklang verläuft, hat viele verwundert, begrüßte er doch 2012 eine "Diskussion über Kirchenfinanzierungsmodelle". Das heute noch geltende Kirchenbeitragsgesetz in Österreich auf Weisung Adolf Hitlers trägt die Unterschrift seines damaligen Reichstatthalters Arthur Seyß-Inquart, der wegen Kriegsverbrechen 1946 hingerichtet wurde. Beim Gedenken ans Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung von Nazi-Terror sollte vielleicht künftig dieser Aspekt auch miteinbezogen werden.