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Sie kamen, um die Mütter zu töten

Von Frederic Bonnot

Gastkommentare
<span style="box-sizing: border-box; font-weight: bold; font-family: Roboto, sans-serif; font-variant-ligatures: none;">Frederic Bonnot ist Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Afghanistan. Am 12. Mai wurde das Krankenhaus in Kabul angegriffen.</span>
© Médecins Sans Frontières (MSF)

Beim Angriff auf das Dasht-e-Barchi-Spital in Kabul war die Geburtsklinik das vorsätzliche Ziel.


In den Tagen nach dem Angriff auf das Dasht-e-Barchi-Krankenhaus in Kabul ist klar geworden, dass das, was am 12. Mai geschah, ein vorsätzlicher Angriff auf eine Geburtsklinik war - mit dem Ziel, kaltblütig Mütter zu töten. Ich ging am Tag nach dem Angriff zurück, und was ich auf der Entbindungsstation sah, zeigt, dass hier Mütter gezielt erschossen wurden. Die Angreifer sind durch die Räume gegangen und haben Mütter in ihren Betten erschossen. Systematisch. Einschusslöcher in den Wänden, blutverschmierte Böden, ausgebrannte Fahrzeuge und zersplitterte Fenster, durch die hindurchgeschossen wurde.

Offizielle Zahlen sprechen von 24 Toten und mehr als 20 Verletzten, mehrheitlich Patientinnen. Ärzte ohne Grenzen hat die Einrichtung in den vergangenen sechs Jahren unterstützt. Die Organisation leistet seit 1980 medizinische Hilfe in Afghanistan, mit fünf Jahren Unterbrechung nach der Ermordung von fünf Mitarbeitern in der Provinz Badghis 2004. Heute betreibt Ärzte ohne Grenzen sechs Projekte in sechs verschiedenen Provinzen des Landes und hat im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Patienten ambulant behandelt, mehr als 60.000 Geburten begleitet sowie fast 10.000 Operationen durchgeführt. Die Projekte werden ausschließlich aus Privatspenden finanziert, Ärzte ohne Grenzen akzeptiert dafür keine Regierungsgelder.

Zum Zeitpunkt des Angriffs lagen 26 Mütter auf der Station: Zehn fanden zusammen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unterschlupf in sicheren Räumen. 16 Mütter waren dem Angriff ungeschützt ausgesetzt. Keine von ihnen blieb verschont: Elf wurden getötet, drei im Kreißsaal mit ihren ungeborenen Babys, fünf wurden verletzt. Unter den Toten sind zwei kleine Buben und eine afghanische Hebamme. Neben drei afghanischen Angestellten wurden zwei Neugeborene verletzt, von denen eines nach einem Schuss ins Bein für eine Notoperation in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde.

Die Angreifer stürmten kurz nach zehn Uhr Vormittag durchs Haupttor ins Spital. Von dort aus steuerten sie direkt auf die Geburtsstation zu, obwohl andere Stationen und Gebäude näher lagen. Es folgten vier Stunden Horror, in denen Patientinnen und Angestellte des Krankenhauses verzweifelt Schutz suchten. Während des Angriffs hörten wir aus unserem Schutzraum überall Schüsse und auch Explosionen. Es war schockierend. Wir wissen, dass es in dieser Gegend Angriffe gegeben hatte, aber niemand konnte sich ausmalen, dass sie eine Geburtsstation angreifen würden. Sie kamen, um die Mütter zu töten.

Im Krankenhaus arbeiteten 102 afghanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen sowie ein paar internationale Mitarbeiter. Im Chaos während des Angriffs und danach war es außerordentlich schwierig, sich einen Überblick über ihren Verbleib und den der Patientinnen zu verschaffen, da die Menschen wegliefen, um Schutz zu finden, und da viele Mütter eilig in andere Kliniken verlegt wurden. Dieses Land ist leider entsetzliche Angriffe gewöhnt. Aber was vorigen Dienstag passierte, dafür fehlen mir die Worte.