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Das unüberhörbare Schweigen der Corona-Politik

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Ein "European New Deal" wäre besser als ein "Green Deal" gewesen.


Politik kann nicht nur daran gemessen werden, worüber sie spricht, sondern auch worüber sie schweigt. Ein aktuelles Beispiel dafür liefert der Umgang mit dem European Green Deal. Zur Erinnerung: Als die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im vergangenen Dezember diesen als Flagship-Projekt konzipierten Plan der neuen EU-Kommission vorstellte, sprach sie von einem "Mann-auf-dem-Mond-Moment" für Europa. Auch beim "European Green Deal" ist Skepsis angebracht wie bei allen Deklarationen der Politik, die zunehmend von den Public-Relations-Abteilungen kommen und immer weniger von den Think Tanks, womit die EU-Kommission selbst gut ausgestattet ist.

Die Grundpfeiler dieses "Green Deal" sind so etwas wie eine Frischzellen-Therapie für die EU zur Zukunftssicherung ihres Wohlstandes. Ein dafür brauchbarer Indikator ist das Ziel von Klimaneutralität bis 2050. Es wäre aber falsch, den "Green Deal" nur als ein Klimapaket zu verstehen. Wahrscheinlich wäre es auch besser gewesen, die Etikette "Green" durch "New" zu ersetzen und somit einen "European New Deal" zu kreieren. Der Kern dieses Deals ist nämlich Innovation, ohne die Europa weiter nicht nur gegenüber den USA und Asien an Wettbewerbsfähigkeit verliert, sondern auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten die Konflikte, beispielsweise bei Arbeitslosigkeit und Armut, zunehmen werden.

Nur wenige Monate nach dem "Mann-auf-dem-Mond-Moment" für Europa schlug der Lockdown der Corona-Krise zu. Nicht erst seit März ist es in Österreich um den "Green Deal" still geworden. Die Reaktion der österreichischen Politik auf dieses Zukunftsprogramm glich von Anfang an zwar nicht ganz einem echolosen Raum, passte aber offensichtlich wenig in die von den politischen Message-Meistern kontrollierten Kommunikationskanäle. Im Corona-Management blieb das Vokabel "New Deal" im Vergleich mit den Vokabeln soziale Distanz und Hilfspakete gleichsam in den politischen Gesichtsmasken hängen.

Ein Blick auf die politische Praxis liefert dafür die Bestätigung. Für viele Corona-bedingt wirtschaftlich schwer Getroffenen beginnen sich die angekündigten Hilfen eher virtuell als cash-wirksam zu entpuppen. Unter dem Stichwort "Konjunkturimpulse" sollen Städte und Gemeinden eine Milliarde Euro an Investitionszuschüssen erhalten und die ÖBB um 200 Millionen Euro mehr für den Bahnausbau.

Diese Relation ist eher ein Hinweis auf die verhandlungstechnische Gewichtverteilung innerhalb der Koalition als ein für den "Green Deal" taugliches wirtschaftliches Fitnessprogramm. Dieses wäre nämlich mit einem Beipackzettel für eine zielorientierte Verwendung versehen. Das wären bei Gebäuden jene zukunftsfähigen Designs, die nicht nur energieautonom, sondern bei Wohnungen auch anpassungsfähig bis zum Homeoffice wären. Oder bei den ÖBB die Entwicklung zu einem Mobilitätshub, wo alle Formen der Mobilität unterstützt und integriert werden.

Helmut Qualtinger erinnerte an die in Österreich leicht aufspürbare Praxis defizitärer Entscheidungsstrategien mit der legendären Liedzeile: "I hob zwoar ka Ohnung, wo i hinfoahr, aber dafür bin i gschwinder duat."