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750 Milliarden Euro gegen die Corona-Krise

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".
© Ralph Manfreda

Österreich sollte bei einer Fiskalunion auf Zeit mit gemeinsamen Schulden mitmachen.


Der 27. Mai 2020 war eine Premiere: Die EU-Kommission hat erstmals das Begeben von gemeinsamen europäischen Anleihen beschlossen. Ein Wiederaufbaufonds in der stattlichen Höhe von 750 Milliarden Euro aus Zuschüssen und Krediten soll die Union aus der Corona-bedingten Rezession herausführen. Das meiste Geld aus diesen Zuschüssen sollen Italien (81 Milliarden Euro) und Spanien (77 Milliarden Euro) erhalten, für Österreich sind 4 Milliarden Euro vorgesehen.

Die EU-Kommission hat dafür 30-jährige Anleihen vorgeschlagen, die aus dem EU-Budget zurückgezahlt werden sollen. Damit die Mitgliedsbeiträge nicht erhöht werden müssen, soll die EU neue gemeinsame Einkommensquellen bekommen. Ideen dafür reichen von einer Plastikabgabe über eine Steuer auf Digitalkonzerne oder den CO2-Ausstoß bis zu einer Binnenmarktabgabe für Großkonzerne. Doch bisher haben sich viele Länder gegen neue EU-Eigenmittel gesperrt, siehe die bis heute nicht verwirklichte Steuer auf Finanztransaktionen.

Daher gibt es auch beim geplanten Wiederaufbaufonds viel Gegenwind. Erstmals würde die EU neben der Wirtschafts- und Währungsunion auch eine Fiskalunion einrichten, zumindest für eine begrenzte Zeit, bis die Krise überwunden ist. Angesichts der derzeit niedrigen Zinsen muss das nicht teuer werden. Der Wiederaufbaufonds würde den Nord-Süd-Konflikt in der EU entschärfen helfen. Denn die Corona-Krise bedroht das Funktionieren des Binnenmarktes. Sollte etwa Italien nicht geholfen werden, wäre auch der Euro ernsthaft in Gefahr.

Zuschüsse zur Überwindung der Corona-Krise geben den Empfängerländern noch keinen Freibrief, notwendige Reformen aufzuschieben. Italien muss seine Rekordverschuldung in den Griff bekommen. Die EU-Länder sollen durch die Finanzkontrolle des sogenannten Europäischen Semesters zur Budgetdisziplin angehalten werden.

Damit sind wir beim Widerstand der vier Nettozahler Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich, auch die "frugalen Vier" genannt. Vor allem Österreichs Regierung wehrt sich heftig gegen Zuschüsse und will die Finanzhilfe großteils über Kredite organisiert sehen. Der frühere Chef der Eurogruppe, der Österreicher Thomas Wieser, hat schlüssig dargelegt, dass der Weg aus der tiefen Rezession ohne Zuschüsse nicht ans Ziel führen wird.

Bei den kommenden EU-Gipfeltreffen wird wohl ein Kompromiss herauskommen, also ein Mix aus Zuschüssen und Krediten. Möglicherweise werden sich die Nettozahler ihre Zustimmung mit Rabatten bei ihren Beiträgen ans EU-Budget abkaufen lassen. Doch die EU steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Am Beginn der Corona-Krise haben die Nationalstaaten das Ruder übernommen. Die EU-Institutionen waren praktisch untergetaucht.

Zur Überwindung der schwersten Rezession in der Geschichte der EU muss die Union jetzt rasch beweisen, dass sie handlungsfähig ist. Die Erwartungen der Bürger dürfen nicht enttäuscht werden. Nur wenn die EU für Wirtschaftsaufschwung sorgt und so Arbeitsplätze retten hilft, kann das verlorene Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.