Warum nicht auch beim Lock-up bewusst neue Möglichkeiten ausprobieren?
Schön langsam klärt sich der Nebel, und wir erkennen, welche Strukturen und Leitlinien uns weiterhin führen werden: Euphorie geht, Zentralismus bleibt, Praxiswissen wird ignoriert.
Denn mittlerweile geht es darum, möglichst rasch zurück in die alte Normalität zu kommen. In der Zwischenzeit neu Gelerntes ist nur noch Gegenstand wissenschaftlicher Studien, deren Erkenntnisse vielleicht eines Tages Berücksichtigung finden werden.
Jetzt schnallen wir unseren Jüngsten Reifen um die Hüften, damit sie einen Meter Sicherheitsabstand auch beim Spielen halten, verdonnern unsere Kinder und Jugendlichen dazu, während eines ganzen Unterrichtstages an einem Platz sitzen zu bleiben, und erwarten von unseren Unternehmern, Kunstinstitutionen und anderen öffentlichen Einrichtungen, dass sie alleine durch das Aufsperren wieder kostendeckend arbeiten und im Herbst ihre Kredite zurückzahlen.
Ergriffen stellen manche rückblickend fest, welch drastische Maßnahmen seit 15. März ergriffen werden konnten und wie flexibel sich die Menschen anpassten. Warum nicht auch beim Lock-up bewusst neue Möglichkeiten ausprobieren? Warum nicht gerade jetzt neue Spielräume eröffnen, statt alle wieder in alte Strukturen zu zwingen?
Dabei könnten wir die bis zum Schuljahresschluss verbliebene Zeit von der Online-Experimentierphase in eine Offline-Experimentierphase mit Freude, Kreativität und Auftragsmöglichkeiten für die Wirtschaft weiterführen:
Geben wir den Pädagogen aller Art und ihren Institutionen die wesentlichen medizinischen Erkenntnisse zu Covid-19-Ansteckungswegen und erlösen wir sie vom 50-Minuten-Rhythmus und von der Fixierung auf einen bestimmten Schulstandort.
Stellen wir ihnen unterschiedliche Räume für ihren Unterricht zur Verfügung, wie zum Beispiel noch immer leerstehende Freizeitanlagen, Veranstaltungsräume in Hotels, Museen, Kinosäle etc., und ermuntern wir sie zur Kooperation mit den dortigen - derzeit arbeitslosen - Kunst- und Event-Experten. Beobachten wir dann das Unterrichtserlebnis in den Kleingruppen (derzeit gilt der Präsenzunterricht sowieso nur für eine halbe Klasse).
Alleine in Kindergärten und Schulen könnten so spannende Lernimpulse für unseren Nachwuchs und wichtige Impulse für unsere regionale Wirtschaft gesetzt werden. Viele Ein-Personen-Unternehmen, Klein- und Mittelbetriebe könnten anstelle der leidigen Bittstellerposition, in der sie viel Zeit mit dem völlig unproduktiven Ausfüllen von Antragsformularen verbringen, Bildungseinrichtungen und andere wichtige öffentliche Einrichtungen dabei entgeltlich unterstützen, bedeutsame gesellschaftliche Arbeiten zu erledigen und die soziale Infrastruktur auch in den überbelasteten Familien und Gemeinden zu stärken. Arbeiten, die liegenbleiben mussten, könnten nun staatlich gefördert regional erbracht werden.
Gemeinsames positives Tun schafft Euphorie, regionale Aufträge geben Lebensqualität, und wenn Praxiswissen vor Ort angewandt werden kann, dann eröffnen sich neue Perspektiven. Warum verzichten wir gerade darauf?