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Eine konzise Verkehrspolitik sieht anders aus

Von Rudolf Schicker

Gastkommentare
Der Autor war von 2001 bis 2010 war Wiener Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr.
© SPÖ

Wien könnte für die Fußgänger tatsächlich noch mehr tun - aber bitte mit Bedacht.


Eine autofreie Wiener Innenstadt ist längst überfällig. Immerhin hätten die Grünen im Ressort Verkehrspolitik dafür schon zehn Jahre Zeit gehabt. Im Unterschied zu Maria Vassilakou (sie hat etwa die Begegnungszone Herrengasse veranlasst) versucht Vizebürgermeisterin Birgit Hebein nun mit einer Hau-Ruck-Aktion alles auf einmal zu lösen. Nur ist das im 1. Bezirk nicht ganz so einfach. Immerhin ist er das wirtschaftliche, touristische, kulturelle und politische Zentrum Österreichs sowie Wohnsitz von immerhin 16.000 Menschen. Da liegt der Teufel im Detail.

Die Beschränkung auf den Bereich innerhalb der Ringstraße und des Franz-Josefs-Kais ist sicher sinnvoll, das Unterbinden von Durchfahrtsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge auch, trotzdem bleiben aber zahlreiche Ausnahmen und verpflichtend freizuhaltende Zufahrten, sodass die Wirksamkeit eher eingeschränkt bleiben wird. Als Fußgänger ist mir ziemlich egal, ob mich der anrainende Autofahrer bedrängt und anhupt oder ein den 1. Bezirk querender Kraftfahrer. Übrig bleibt eine medienwirksame Aktion kurz vor einer Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl.

Hilfreicher für die Innenstadt wäre es wohl gewesen, faktische Fußgängerzonen einzurichten, wo dies die Enge der Straßen und die Vernunft vorgeben. Rechtlich gibt es viele Möglichkeiten: Begegnungszonen, Wohnstraßen, Fahrverbote mit Ausnahmen etc.

Darüber hinaus könnte, da es im 1. Bezirk ein dichtes Netz öffentlicher Garagen gibt, die Zahl der Parkplätze an der Oberfläche massiv zurückgenommen werden, was einer detaillierten vorauslaufenden Parkraumanalyse bedürfte: Wo sind Anrainerstellplätze erforderlich, wie viele Stellplätze braucht es in welchem Abschnitt für den Lieferverkehr an der Oberfläche, um den in der Corona-Krise stark gebeutelten Handelsbetrieben, Gastronomen und Hotels nicht noch mehr zu schaden? Der für Ältere und Gehbehinderte so wichtige innerstädtische Busverkehr könnte bei dieser Gelegenheit übrigens auch vorrangig geführt werden. Und nicht zu vergessen der Radverkehr: In der Innenstadt braucht er klar gekennzeichnete, auch für Polizisten eindeutig erkennbare Querungsmöglichkeiten, vom Kai zum Museumsquartier, vom 3. Bezirk zu den westlichen Bezirken.

Weiters wäre im Detail zu prüfen, welche Fußgängerrelationen starke Frequenzen aufweisen und daher ausreichend Platz benötigen (also freie Gehwege frei von Schanigärten, Radabstellanlagen oder Baustellenlagerung). Darauf wurde in ganz Wien zuletzt nicht geachtet.

Die Chance für eine innovative Umgestaltung des Verkehrssystems innerhalb des Rings ist gegeben, bedarf aber genauer Analyse und Abstimmung zwischen den Bedürfnissen von Wirtschaft, Beschäftigten und Anrainern. Außerdem - und das ist das Allerwichtigste - wird sich der 1. Bezirk die teure bauliche Umgestaltung des öffentlichen Raumes alleine nicht leisten können und gesamtstädtisch Mittel aus anderen Bezirken abziehen. Das macht die autofreie City zu einem großflächiger zu betrachtenden Thema, nicht zuletzt wegen des Verdrängungsverkehrs in Nachbarbezirken.

Wie gesagt: Übrig bleibt eine medienwirksame Aktion vor den Wahlen, und das schmerzt.