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Masken im Supermarkt gegen Chöre in Freikirchen

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Masken wirken dort, wo Menschen in schlecht belüfteten Räumen gedrängt laut reden oder singen - im Supermarkt sind sie nur symbolisch.


Es ist dunkel. Auf einer spärlich beleuchteten Straße sehen Sie unter einer Laterne einen Mann, der offensichtlich etwas auf dem Boden sucht. Auf der anderen Straßenseite, die nicht beleuchtet und daher stockdunkel ist, steht ein Auto. Höflich fragen Sie, was der Mann denn täte und ob Sie helfen könnten. Er ist erfreut und sagt, er habe seinen Autoschlüssel verloren. Wo habe er ihn denn das letzte Mal gesehen? Nun, der Schlüssel sei runtergefallen, als er sein Auto öffnen wollte, sagt er und zeigt dabei zum Auto im Dunkeln hinüber. Verwirrt fragen Sie, warum er dann nicht dort suche. Na, weil es drüben dafür zu dunkel sei, hier aber im Licht der Laterne könne er suchen.

Genau so ist die Diskussion über Masken in Supermärkten. Diese haben in Epidemien einen schlechten Ruf, weil dort alle hinmüssen und das im Falle der Ausbreitung über Schmierinfektion ein echtes Problem darstellt. Aber eben nur, wenn Schmierinfektion wichtig ist. Und gegen eine solche helfen Masken gar nichts. Die helfen gegen Tröpfcheninfektion - und da richtig gut, vor allem dort, wo Abstandhalten schwierig ist. Doch wie es aussieht, ist das in Supermärkten nicht der Fall. Sonst hätten wir dort Cluster identifiziert und viele infizierte Verkäufer entdeckt. Abstandhalten und Hust-Nies-Hygiene funktionieren - und die Menschen halten sich im Supermarkt daran.

Die Verbreitung von Sars-CoV2 findet anderswo statt. Einzelne Superspreader, denen man die Möglichkeit gibt, nahe und lang genug mit anderen zu reden, führen zu Ausbrüchen. Die meisten Infizierten sind kaum ansteckend, dafür ist jeder zehnte ein potenzieller Superspreader. Das ist eigentlich gut, denn damit bleiben Cluster leichter beherrschbar. Und Ampelkarten, die glücklicherweise manche Wissenschafter einfach so publizieren, ohne auf Politiker zu warten, zeigen schön, dass eben nur da oder dort einzelne Bezirke rot aufleuchten und die Umgebung grün bleibt. Das Virus sickert nicht einfach so durch die Gegend. Und das macht Test and Trace - also testen, so viel wie geht, und jedem Fall nachlaufen und isolieren - machbar. Und obwohl die Zahlen steigen, sind die Cluster beherrschbar, oder nicht?

Jedenfalls sind alle öffentlich gewordenen Cluster, von gemeinsamem Singen bei Gottesdiensten bis zum Postzentrum (würden Clubs wieder öffnen, wären sie auch dabei), genau dort, wo die Wissenschaft sie erwartet hat: in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen (closed), in denen sich Menschen drängen (crowd) und laut miteinander reden (conversation), wozu auch singen gehört - die drei Cs!

Wer sich an ihnen orientiert und dort Superspread-Ereignisse unterbindet, darf mit einem R unter 1 rechnen. Und wenn eine 3C-Veranstaltung nicht verhindert werden kann, dann braucht man eben Masken. Supermärkte weisen, wenn überhaupt, sehr selten die drei Cs auf. Deswegen gibt es dort - mit und ohne Maske - kaum Verbreitung. Und doch sollen dort Masken wiederkommen. Aber wie sollen diese dort Cluster in Freikirchen verhindern?

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