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Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht sinnvoll ist

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Es ist weder zwingend noch wünschenswert, es könnte sich sogar problematisch auf den Arbeitsmarkt auswirken.


Täglich kann man hören und lesen, dass nach der Corona-Krise nichts mehr wie vorher sein wird. Vor allem für Kritiker unseres wettbewerblich-marktwirtschaftlichen Systems wirkt die Corona-Krise elektrisierend: Der Beweis sei erbracht, der Markt habe versagt, ohne massive Staatsintervention gehe gar nichts, mit noch mehr Staat gehe alles - Wohlstand ohne Wachstum, technisch-organisatorischer Fortschritt ohne Wettbewerb, Gerechtigkeit ohne Arbeit. Und natürlich bedarf es angesichts der beschworenen, Arbeitsplätze vernichtenden Digitalisierung und Roboterisierung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jeden, ohne soziale Verpflichtung, das eine würdevolle Lebensführung ermöglicht.

Bei aller Unsicherheit ist anzunehmen, dass das Coronavirus dank Impfstoffen und Medikamenten in ein bis zwei Jahren unter Kontrolle sein wird, ohne dass diese Krise eine nachhaltige Veränderung menschlichen Verhaltens ausgelöst haben wird, abgesehen etwa von einem beschleunigten Einsatz digitaler Tools oder Reformen in den Gesundheitssystemen. Zukünftige Verhaltensänderungen werden überwiegend das Ergebnis klimapolitischer Maßnahmen sein. Der katastrophale Einbruch der Weltwirtschaft 2020 macht Wirtschaftswachstum wieder zur politischen Priorität. Zweistellige Erhöhungen der staatlichen Verschuldungsquoten lassen sich nicht beliebig wiederholen. Dabei sind Krisensicherheit und Wachstum kein Gegensatz, ohne Resilienz kein langfristiges Wachstum. In den Ländern Mittel- und Nordeuropas werden ab 2022 Arbeitskräfte wieder knapp werden, nicht nur in den MINT-Bereichen.

Bezahlte Erwerbsarbeit als Identifikations- und Selbstwertquelle

Was bedeutet dies nun für die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen?

Es zeichnen sich keine fundamentalen Veränderungen der Rahmenbedingungen ab, die es zwingend oder auch nur wünschenswert erscheinen lassen.

Für die Auszahlung arbeitslosen Einkommens an alle gibt es kaum Mehrheiten, zum Beispiel betrug die Ablehnungsquote bei der Schweizer Volksabstimmung dazu im Jahr 2016 mehr als 75 Prozent.

Bezahlte Erwerbsarbeit ist immer noch Identifikations- und Selbstwertquelle für die Mehrheit der Bürger. Diese Einstellung scheint in der jüngeren Generation an Boden zu verlieren. Das lässt einen merklichen Rückgang des Arbeitskräfteangebots durch ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine erhebliche Zunahme schattenwirtschaftlicher Tätigkeiten mit negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen erwarten.

Gleichzeitig könnte ein Land mit einer großzügigen Regelung zum bedingungslosen Grundeinkommen allzu attraktiv für minderqualifizierte Arbeitskräfte aus dem EU/EWR-Raum werden, was etwa nicht im Interesse Österreichs wäre.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen dürfte auch im Durchschnitt die Bereitschaft zu längeren Ausbildungswegen und lebenslanger Weiterbildung dämpfen, da es jederzeit eine Alternative zur Erwerbsarbeit gäbe und der Druck des Arbeitsmarktservices auf Sicherstellung der Arbeitsmarktfähigkeit ebenso wegfiele wie ein gewisses soziales Stigma des Nichtarbeitens - eine gefährliche Entwicklung für ein Hochlohnland im globalen, wissensbasierten Wettbewerb.

Zahlreiche Simulationsrechnungen in verschiedenen Ländern (zum Beispiel Florian Habermacher und Gebhard Kirchgässner von der Universität St. Gallen für die Schweiz oder Monika Köppl-Turyna von der Agenda Austria für Österreich) zeigen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 Euro monatlich oder mehr nicht finanzierbar wäre, auch wenn im Gegenzug alle sonstigen Sozialausgaben des Staates gestrichen würden.

Wir stehen vor drei großen und längerfristigen Herausforderungen

Wir stehen vor drei großen und längerfristigen Herausforderungen: der Überwindung des durch die Corona-Krise verursachten teilweisen Wirtschaftszusammenbruchs mit einem sprunghaften Anstieg der öffentlichen und privaten Verschuldung, der Bewältigung des Digitalisierungsschubs in allen Lebensbereichen, insbesondere auch im Sinne der Aufrechterhaltung und Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit, sowie der Finanzierung und dem erfolgreichen Abschluss der Entkarbonisierung unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise. Keiner dieser drei Herausforderungen wären die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und der Rückzug des Staates aus der Sozialpolitik dienlich. Im Gegenteil.