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Religion und Ethik: Gemeinsam oder einsam getrennt

Von Andrea Lehner-Hartmann

Gastkommentare
Andrea Lehner-Hartmann ist römisch-katholische Theologin, Religionspädagogin und lehrt an der Universität Wien.
© Uni Wien

Mit einer Konkurrenz zwischen Ethik- und Religionsunterricht ist den Schülern am wenigsten gedient.


Im Zuge der zu begrüßenden Einführung eines flächendeckenden Ethikunterrichts ist auch der Religionsunterricht vermehrt in Diskussion geraten. Insbesondere die Tatsache, dass der Ethikunterricht nicht für alle, sondern nur für jene, die keinen Religionsunterricht besuchen, vorgesehen ist, hat massive Kritik ausgelöst. Neben sachlichen Argumenten, die beklagen, die Teilung der Klasse verhindere ein gemeinsames Aushandeln von Fragen, wird auch der Religionsunterricht mit Indoktrination gleichgesetzt, die in der Schule nichts zu suchen habe. Gefordert wird, den ideologieverdächtigen Religionsunterricht durch einen wertneutralen Ethikunterricht abzulösen.

Nun, wertfreien oder -neutralen Unterricht gibt es generell nicht. Selbst Mathematikunterricht ist in der Auswahl der Beispiele nicht wertfrei. Weiters ist mit einer Konkurrenz zwischen Ethik- und Religionsunterricht vor allem der Zielgruppe, den Schülern, am wenigsten gedient. Sollen doch beide Gegenstände durch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen weltanschaulichen, auch religiösen, Traditionen und Menschenbildern zur individuellen Persönlichkeitsbildung beitragen. Im konfessionellen Religionsunterricht geschieht dies aus einer klar deklarierten konfessionellen beziehungsweise religiösen Perspektive heraus, die nicht mit Indoktrination verwechselt werden darf. Niemand darf im Religionsunterricht zur Übernahme bestimmter Positionen gezwungen werden. Unterricht ist in erster Linie ein Kommunikationsgeschehen, das über Beziehung, insbesondere das Beziehungsangebot der Lehrperson, läuft. Strikt abzulehnen sind Angstmache, etwa das Drohen mit der Hölle, oder diskriminierende Äußerungen über religiöse, andersgläubige oder religionsfreie Menschen. Hingegen ist eine Auseinandersetzung mit komplexer werdenden Fragestellungen anzustreben. Aufgabe der Lehrperson ist es, die Schüler dabei gut durchzuleiten, mit fundiertem Wissen zum Fach sowie didaktischem und pädagogischem Wissen. Die tiefergehende Beschäftigung mit existenziellen Fragen, Transzendenz, einem friedlichen Zusammenleben, unterschiedlichen Weltanschauungen und Lebensweisen sowie möglichen ideologischen Gefährdungen ist bei heterogen zusammengesetzten Gruppen durchaus kontrovers. Sich kontroversen Positionen zu stellen, sie bewusst zu machen auch in ihren jeweiligen Konsequenzen und diese in Respekt vor der Überzeugung des anderen miteinander in ein Gespräch zu bringen, ist ureigenste Aufgabe von Bildung. Erst diese Praxis befähigt zu demokratischem Zusammenleben. Dazu haben Ethik- wie Religionsunterricht beizutragen - weder neutral oder wertfrei noch ideologisierend, sondern dahinterliegende Menschen- und Weltbilder aufzeigend.

Unterricht in getrennten Gruppen kann dabei als Schwachstelle angesehen werden; eine unüberwindliche Hürde sollte er mit administrativer Unterstützung nicht darstellen. Gemeinsame kommunikative Lernräume zu schaffen, die zum Nachdenken über eigene Sichtweisen und zum Verstehen anderer beitragen, müsste im Interesse beider Gegenstände sowie von Schule insgesamt liegen.