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Werte, Wahrheit, Wirtschaftsforschung

Von Harald Oberhofer

Gastkommentare
Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und forscht am Wifo.
© Roman Reiter / WU

Mangels demokratischer Legitimation sollen Wirtschaftsforschende in ihrer Rolle als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den politischen Prozess nicht weltanschaulich beeinflussen.


"Ein bisschen verlogen" fand es die Gründerin und Leiterin des Momentum Instituts, Barbara Blaha, im ORF-Wirtschaftsmagazin Eco vom 30. Juli, so zu tun, als gäbe es in der Wirtschaftswissenschaft keinen Bias und keine Werte, die Fragestellungen und Forschung prägen.

Sie spricht damit einen wichtigen Punkt an, denn manche Wirtschaftsforschende verstehen sich auch als politische Akteure und nicht ausschließlich als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur, was er kann und - unter Umständen - was er will", bemerkte der vor hundert Jahren verstorbene Max Weber.

Aufgabe der empirischen Wirtschaftsforschung ist es, die Wirklichkeit anhand von Daten möglichst präzise zu erfassen und anhand dieser Daten theoriegestützt und objektiv nachvollziehbar politische Optionen und deren Konsequenzen aufzuzeigen. Politische Präferenzen der Forschenden haben hier keinen Platz. Die politischen Entscheidungen müssen und sollen die demokratisch dazu berufenen treffen: die Politikerinnen und Politiker. Mangels demokratischer Legitimation sollen sich Wirtschaftsforschende zurückhalten und in ihrer Rolle als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den politischen Prozess nicht weltanschaulich beeinflussen. Zur Politikgestaltung sind sie von der Gesellschaft nämlich nicht legitimiert.

Auch die Politik sucht die Nähe der Wissenschaft, da eine moderne Gesellschaft nicht ohne wissenschaftliche Expertise auskommen kann. Die Wissenschaft kann ihre Stärken aber nur ausspielen, wenn sie ergebnisoffen betrieben wird und sie bereit ist, politische Erwartungen zu enttäuschen.

Forschungsaufträge, deren Ergebnisse schon durch die Fragestellung weitgehend vorgegeben sind, sollten weder vergeben noch akzeptiert werden. Auch die liebe Gewohnheit, für das gewünschte Ergebnis (ideologisch) nahestehende Haus- und HofexpertInnen zu beauftragen, ist nicht tragbar. Beides ist Zweckentfremdung der Wissenschaft zur Legitimierung längst getroffener politischer Entscheidungen.

"Wem die Wahrheit nicht wertvoll ist - und der Glaube an den Wert wissenschaftlicher Wahrheit ist Produkt bestimmter Kulturen und nichts Naturgegebenes - dem haben wir mit den Mitteln der Wissenschaft nichts zu bieten", ist ein weiteres Zitat Max Webers. Wissenschaft ist eine Kulturleistung, die eine Gesellschaft mit Stolz erfüllen und die sie ehren sollte, indem sie wissenschaftlich exzellenten Forschenden den Vorzug vor politisch motivierten Akteuren gibt, wenn sie der Wissenschaft Gehör verleiht. Hinter dieser Kulturleistung steckt das Ideal des aufgeklärten, freien Menschen, der bewusst nach dem Besten für sich und andere strebt und dafür objektiv über seine Optionen informiert sein will.

Man nennt ihn schlicht den aufgeklärten Menschen. Sein Werkzeug ist die empirische Wissenschaft, die nach der Erkenntnis der Wahrheit strebt. Man muss dieses Ideal, das ein Fundament unserer Gesellschaft bildet, nicht teilen, aber dann sollte man sich die Frage stellen, wie die Alternativen aussehen und wohin sie führen.

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